Hanibal
sank langsam wieder zu Boden. Cornelius Scipio beschirmte die Augen mit der Rechten. »Listiger Daimon«, sagte er leise. Er winkte Meldereiter herbei, gab den Bläsern neue Anweisungen.
Antigonos starrte zu den Schlachtreihen hinüber. Die Legionen bildeten eine dreifache Phalanx, ohne große Räume zwischen den hastati, den principes und den triarii. Die italischen Reiter unter Laelius warteten auf dem linken Flügel, Masinissas Numider auf dem rechten.
Hannibals Truppen, über deren Stärke und Zusammensetzung Antigonos nichts wußte, standen in acht großen Vierecken , nicht seitlich, sondern mit den Spitzen zur römischen Linie. Davor die beiden dünnen Reihen der römischen und punischen Plänkler. Hinter den Vierecken schwenkten zwei große Gruppen von Fußkämpfern zu einer langen Linie aus. Die Flügel waren von Reitern besetzt; den Italiern standen Punier gegenüber, wahrscheinlich aus den punischen Städten und Dörfern der Ostküste; Masinissas Numidern die Numider des Tychaios. Vermina war noch nicht eingetroffen.
Die Plänkler hatten bereits den Kampf eröffnet, als Scipio zum Rückzug blasen ließ. Überall gellten die Hörner. Aus den Räumen zwischen Hannibals Vierecken erschienen Elefanten. Antigonos versuchte sie zu zählen, aber der aufsteigende Staub nahm ihm und dem römischen Feldherrn die Sicht. Scipio schrie Befehle; der Hellene hörte nicht hin.
Der zweite Versuch. Als der Staub niedersank, hatten die Römer vier dichte Truppenblöcke gebildet, mit geringen Zwischenräumen. Ihnen standen drei mächtige punische Blöcke gegenüber, dahinter Eingreiftruppen. Hannibal hatte die Leichtbewaffneten auf die Flügel genommen, die Elefanten und die schweren punischen Reiter als Stoßkeil in die Mitte, mit einigen Tausendschaften Hopliten. Die Numider ritten hinter den Eingreiftruppen umher.
Cornelius Scipio ächzte. »Wir werden zertrümmert und aufgerollt. Alle Götter Roms! Fällt ihm denn immer noch etwas ein? Rückzug! Sofort Rückzug!« Er winkte Meldereiter herbei. Der dritte Versuch. Die Manipel der bastati, nach vorn von der Linie der leichten velites abgeschirmt, bildeten Blöcke mit blockweiten Zwischenräumen. Dahinter, die Lücken abdeckend, die Manipel der principes, hinter diesen, wiederum in den Lücken, die Manipel der triarii. Antigonos dachte plötzlich an Hannibals Vortrag über die Verwendbarkeit der Legionen – wann? Vor der Schlacht an der Trebia? Er lachte bitter und hustete, als er Staub einatmete.
Hannibals Heer bildete ein Dreieck, die Spitze der Mitte der römischen Reihen gegenüber. Die Elefanten an den Flanken, die Reiter hinter ihnen. Wieder rückten die Flankier vor, wieder ächzte der Römer und ließ abermals zum Rückzug blasen.
Antigonos wußte nicht, wieviel Zeit inzwischen vergangen war. Nur, daß es niemals eine solche Schlacht gegeben hatte. Er näherte sich dem Cornelier, der in den Staub starrte.
»Blas die Schlacht ab, Römer«, sagte er halblaut. Scipio fuhr herum; seine Züge waren verzerrt. »Was?«
»Blas die Schlacht ab. Was ihr beide, du und Hannibal, hier an Einfallsreichturn und Gehorsamkeit der Truppen vorgeführt habt, reicht aus, um drei gewöhnliche Kriege zu gewinnen. Nie gab es solche Heere, nie gab es zwei so große Strategen. So viel Kunst, Kühnheit und Menschen in einer Schlacht zu vergeuden wäre ein Verbrechen.«
Scipio zögerte. Seine Hände öffneten und schlossen sich immer wieder. »Ich muß… ich muß doch«, murmelte er.
»Du mußt nicht, Römer. Fordere nicht zuviel von den Göttern. Du hast den Frieden in der Hand – wozu willst du ihn verschenken? Oder das, was du ohne Blut haben kannst, in einem Gemetzel aufs Spiel setzen?«
Wieder sank der Staub. Wieder bot sich ein neues Bild; und wieder hatte Cornelius Scipio eine Schlachtordnung befohlen, die sich gegen Hannibals vorigen Einfall richtete, ohne dem neuen gerecht zu werden. Die Römer waren zusammengerückt; die Manipel der bastati, principes und triarii standen in tiefen Säulen hintereinander, dazwischen manipelweite Räume. Vor ihnen die velites, dann die punischen Flankier, hinter diesen, in einer Reihe, die Elefanten, vielleicht achtzig, mehr jedenfalls, als Hannibal jemals vorher hatte einsetzen können. Dahinter, mit großem Abstand zueinander, drei Reihen Fußkämpfer.
Wieder kamen Meldereiter. Nach den lateinischen Fetzen, die Antigonos halbbewußt aufnahm, schienen sie die Feldzeichen zu erläutern und zu deuten. Wie am Anfang standen die punischen
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