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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Gulussa – ich habe schnell rausgekriegt, daß das Schiff an der kleinen Inselmole etwas Besonderes war. Ich habe gebohrt und gebettelt und gefragt. Schließlich mußte ich auf dich und auf Baal, Melqart, Eshmun, Tanit, Reshef, ich weiß nicht wen noch alles schwören, daß ich nicht mit Uneingeweihten darüber reden würde. Dann durfte ich mitfahren.«
    »Gulussa wird alt. Aber sprich weiter.«
    »Ich glaube, ich muß weiter ausholen. Habe ich euch je erzählt, daß ich damals, vor sieben Jahren, ah, fast acht, daß ich damals im Oasentempel des Amun war, beim Orakel?«
    Kshyqti wandte ihm fast ruckartig das Gesicht zu. »Im uralten heiligen Orakeltempel?«
    »Ja. Damals, als Regulus hier landete und mein Vater mich nach Alexandreia schickte. Kyrene hatte sich eben von Ägypten gelöst, und es sah aus, als ob Ptolemaios neben seinem syrischen Krieg auch noch einen um Kyrene anfangen wollte. Deshalb bin ich damals mit den Händlern nicht an der Küste entlang, sondern durch die Wüste gezogen. Der Amun- Tempel interessierte mich überhaupt nicht – ich war zwölf Jahre alt, und das war doch nur ein komisches altes Gemäuer. Ich wußte, daß Alexandros das Orakel aufgesucht hatte, daß es seit Jahrtausenden sogar von den Pharaonen verehrt worden war. Aber für mich waren das bloß verwitterte Steine, die etwas Unheimliches ausstrahlten – ähnlich wie der tofet hier. Den Markt vor dem Tempel fand ich viel aufregender, mit den verschiedenen Leuten aus verschiedenen Weltgegenden. Ich habe damals auf einer Brunnenumrandung gehockt und zugesehen und darauf gewartet, daß die Karawane endlich fertig wird und weiterzieht. Plötzlich berührt mich etwas an der Schulter. Der Finger eines Mannes. Ich blicke zu ihm auf, zu einem furchtbaren Gesicht, wie schlecht gegerbtes Leder auf einem zu schwachen Rahmen. Dann zwei glühende Augen, sengender als die Sonne. Dieser Mann sagt zu mir: ›Du wirst in den Sonnenuntergang segeln. Bring die Haare zurück, die zum Lauf der Dinge gehören. Drei Löwen, deren Gebrüll die Welt erzittern läßt. Und Gold für den Gott.‹ Dann erlöschen plötzlich seine Augen, die Hand gleitet zurück in den weiten weißen Ärmel, wie der Kopf einer Schildkröte in den Panzer. Er geht mit schwankenden Schritten zum Tempel und verschwindet im Eingang.«
    Kshyqti schüttelte langsam den Kopf. Hamilkar sagte mit belegter Stimme: »Gott Amun ist der Älteste.«
    Antigonos schwieg einen Moment. »Natürlich hat mich das alles sehr beeindruckt. Aber in der nächsten Nacht, auf dem Esel in der hellen Wüste, wurde mir alles völlig unheimlich.«
    »Wegen der Sprache?« sagte Kshyqti.
    Antigonos starrte sie an, mit offenem Mund. »Woher… Ja. Die Priester sprechen weder Punisch noch Hellenisch, und ich verstand damals kein einziges Wort Ägyptisch. Erst als mir das klar wurde, ist mir eingefallen, was mich an der Begegnung so seltsam berührt hatte: Der Priester hat die Lippen nicht bewegt; die Stimme war nur in meinem Kopf.«
    Hamilkar murmelte: »Sonnenuntergang… Haare… drei Löwen. Ist es das, dein Fell aus dem fernen Westen?«
    Antigonos seufzte. »Für das, was nun kommt, muß ich euch um Vergebung bitten.« Er stand auf, schon leicht benommen vom Wein, ging um den Tisch herum und kniete vor Kshyqti und Hamilkar nieder. »Bitte«, sagte er leise. »Vergebung. Vieles darf ich nicht sagen, und was ich sagen kann, wird euch schmerzen. Aber es war nicht, weil ich mich eindrängeln will. Nur, weil ich euch liebe und euren Kummer kenne.«
    Kshyqti beugte sich vor und küßte ihn auf die Stirn; ihre Augen waren naß. Hamilkar nahm das Gesicht des jungen Metöken in beide Hände und sagte leise: »Freund und Sohn meines Freundes, es ist gut. Sprich weiter.«
    Antigonos schloß die Augen; er kniete immer noch auf der Matte aus fein geflochtenem balliarischen Schilf. Während er weiterredete, tastete er blind nach dem Tierfell.
    »Ich bin über das Weltmeer gesegelt, nach Westen, und von einer grünen Insel zu vielen anderen. Dann mit Booten der Menschen, die dort leben, zum südlichen Festland. Ich war nur wenige Tage dort, aber weil ich in Alexandreia, Indien, Taprobane und hier viele Dinge gelernt habe, die man dort nicht kennt, konnte ich in einer bestimmten Lage, von der ich nicht sprechen darf, etwas tun. Es trug mir viel Gold ein, mehr als zwei Talente, und Amun soll seinen Teil davon bekommen. Dann lernte ich einen weisen alten Mann kennen, einen Priester des seltsamen Volks, das in den Bergen wohnt

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