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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Leinen und ein purpurnes Kopftuch mit goldenem Band; das Tuch hing auf die linke Schulter herab. Der breite Ledergürtel war leer – keine Waffe, nicht einmal ein Gehänge. Er nickte Antigonos zu, als habe er ihn gestern zuletzt gesehen, und bat ihn mit einer Geste um Geduld. Dann wandte er sich wieder den anderen Männern zu.
    Antigonos lehnte sich an die Ziegelwand neben der Fensteröffnung. Die Besprechung fand in einem iberischen Dialekt statt und kreiste, soweit er es verstehen konnte, um Morde und Vergiftungen bei der Regelung der Herrschaftsnachfolge eines Volks irgendwo im gebirgigen Inneren Iberiens. Antigonos fragte sich, wozu Hamilkar derlei Dinge so eingehend wissen wollte. Die iberischen Unterführer schienen einem erst kürzlich angeworbenen Söldnertrupp anzugehören; ihre Nachrichten waren ziemlich frisch. Die Männer trugen flache Halbstiefel, rötliche Röcke, lederne Brustpanzer mit Bronzeplatten und rote Stoffbündel auf den Schultern. Auch sie waren unbewaffnet und ohne Helm.
    Hamilkar hielt die linke Hand in der rechten Ellenbeuge; mit Daumen und Zeigefinger der Rechten strich er sich über die große Hakennase. Die Brauen – schwarzes dickes Gestrüpp – waren zusammengezogen, und der Bart hätte gestutzt und ausrasiert werden können. Offenbar gab es wichtigere Dinge. Antigonos sah das Spiel der ungeheuren Armmuskeln, ausgelöst durch die Fingerbewegungen an der Nase. Er klemmte das zusammengerollte Fell unter den anderen Arm und schaute aus der Fensteröffnung, über die Dächer der westlichen Vororte, die Straßen und Felder, auf denen schwarze Punkte arbeiteten. Rechts glitzerte die seichte Bucht mit den Schilfinselchen.
    Die Besprechung ging zu Ende; Hamilkar entließ die Iberer.
    Antigonos kniete lächelnd vor dem Punier nieder und sagte in zeremoniellem Phönikisch:
    »Diener des Melqart, der rechtlose Fremde begehrt deine Gunst und fleht göttliche Gnade auf dein Haupt herab.« Hamilkar ergriff ihn am Ohr, zog ihn hoch und umarmte ihn.
    »Laß den Quatsch, Tiggo. Schön, dich wiederzusehen. Du kommst aus Gadir, hörte ich.«
    »Woher weißt du das denn?«
    »Es gibt kein unnützes Wissen, deshalb soll man alle Wissensquellen sprudeln lassen und aus ihnen trinken.«
    Antigonos runzelte die Stirn. »Ah ja. Deshalb also diese iberischen Mordgeschichten.«
    Hamilkar betrachtete ihn aufmerksam. »Ich wußte nicht, daß du iberische Dialekte verstehst. Sonst…«
    Antigonos legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Es gibt auch für metökische Händler kein unnützes Wissen. Aber wenn es Geheimnisse waren – keine Sorge, ich habe sie schon vergessen.« Dann reichte er Hamilkar das Fellbündel. »Ich habe dir etwas mitgebracht.«
    Hamilkar deutete eine Verneigung an, betrachtete das Bündel, machte aber keine Anstalten, es entgegenzunehmen.
    »Ein Tierfell«, sagte er. »Wenn du wirklich deinen Vorfahren gleichst – was ich wegen deiner Jugend noch nicht weiß, verzeih –, dann hat es damit etwas auf sich. Und wenn es etwas damit auf sich hat, möchte ich es genauer wissen. Dazu ist hier nicht der richtige Ort. Zuviel zu tun; der Tag ist noch lang. Hast du heute abend Zeit? Gut. Dann komm doch zu uns raus, gegen Sonnenuntergang. Wein und Essen und Reden. Es gibt viel zu erzählen. Und Kshyqti wird sich freuen; sie hat neulich erst nach dir gefragt.«
     
    Hamilkars weitläufiger Palast in der Megara lag am Fuß der Hügel, die sich nach Norden bis zum Kap Kamart erstreckten. Von den Dachterrassen der weißen, ineinander übergehenden Gebäude konnte man aufs Meer hinausblicken. Neben der Familie wohnten hier an die hundert Mitarbeiter, Arbeiter und Sklaven, die im Haus, in den Gärten, Parks, Stallungen und Gehegen beschäftigt waren. Es war eines der reichsten Anwesen der reichen Megara. Und eines der ältesten – die Familie führte ihre Abstammung auf den Steuermann des Schiffs zurück, mit dem in sagenhafter Vorzeit die Königstochter Elissa von Tyros, Begründerin und erste Herrin der »neuen Stadt«, Qart Hadasht, in der Bucht angekommen war. Die Erträge der großen Ländereien im fruchtbaren Süden des punischen Hinterlands, in der Byssatis, stellten das Fundament des Reichtums, dessen Mauern kluger Fernhandel und dessen Zinnen geschicktes Wandeln durch das Machtlabyrinth der Stadt waren.
    Kshyqti stand auf der Marmortreppe vor dem zweigeschossigen weißen Haupthaus, als Antigonos vorfuhr. Ein Stallknecht übernahm Pferd und Wagen, und Antigonos lief die Stufen

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