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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Taubendreck verwirrende Muster. Die königliche Bank oberhalb des Hafengeländes war angenehm kühl. Ein Bankbüttel mit vergoldetem Muskelpanzer und ungeheurem Helmbusch führte mich durch das Gedränge des Saals.
    Hippolytos stand auf, als er mich sah, kam mir bis zum Durchgang entgegen, ergriff meinen rechten Unterarm und schickte den Büttel fort. Dann zog er die schweren Vorhänge aus golddurchwirktem pergamenischen Wollstoff zu und deutete auf einen Scherenstuhl. Das Leder war einfach, aber die Lehnen waren mit Elfenbeineinlagen geschmückt.
    »Es ist gut, dich zu sehen.« Er zupfte an seinem seltsamen Umhang – Baumwolle mit Purpurrand, am Hals verschlossen durch zwei goldene Spangen und eine Goldkette – und ergänzte, mit fein abgewogener Verzögerung: »Oheim.«
    Ich wartete, bis er sich hinter seinen mit Rollen und Schalen überladenen Tisch gesetzt hatte. Sein Gesicht war grau, die Augen unterhöhlt. »Laß das; sonst muß ich grübeln, wie ich den Enkel eines Vetters meines Vaters anreden soll. – Aber du siehst schlecht aus.«
    Er fuhr sich über die Augen. »Ja. Ich fühle mich auch so.
    Diese Kriegsbewirtschaftung… Prusias und seine unsinnigen Pläne machen das Geld knapp und den Spielraum sehr eng, und nicht alle Kunden verstehen es. Dazu Sonderlisten, Sonderabgaben, Berechnung der Besteuerung aufgelaufener Zinseszinssummen; und alles bis vorgestern. Aber du bist sicher nicht hier, um meine Klagen anzuhören.«
    Ich setzte ihm auseinander, was ich zu tun beabsichtigte:
    Auflösung meines Guthabens bis auf einen kleinen Rest, der dem bisherigen Verwalter und hinfort Teilhaber meines Geschäfts verbleiben sollte. Hippolytos wühlte; schließlich zog er eine Rolle aus dem Stapel, der nur durch eine bleierne Nachbildung des Sphinx auf dem Tisch gehalten wurde.
    Mein Guthaben belief sich auf fünfundvierzig Talente, siebenundzwanzig Minen, fünfundfünfzig Drachmen und vier Obolen, einschließlich des Zinses für das laufende Jahr. Unter der Kriegsbewirtschaftung ließ König Prusias allerdings nicht zu, daß mehr als ein Fünftel eines beliebigen Guthabens entfernt oder gar außer Landes gebracht wurde. Die Bestände der königlichen Bank… Elf Talente Silber entsprachen zur Zeit einem Talent Gold; drei Talente Gold einem Talent in Perlen. Wir vereinbarten, daß zweitausendvierhundert Goldstater, etwa ein Fünftel des Guthabens, auf das Schiff gebracht werden sollten; ein Händler namens Hephaistion, der der Bank Geld schuldete und vor kurzem eine Perlenlieferung erhalten hatte, würde durch sanften Druck gezwungen werden, mein Guthaben zu übernehmen und mir die Perlen zu übergeben – außerhalb der Bank, außerhalb der Vorschriften von Prusias.
    Schließlich erfuhr ich, daß der Hafenmeister ebenfalls Bankschulden hatte; eine kretische Sklavin sollte nicht mehr als fünf Minen kosten, und Hippolytos gab mir zur Bekräftigung meines Sklavinnenwunschs einen Beauftragten der Bank mit, der den Hafenmeister erinnern würde. Kurz vor Sonnenuntergang lieferte ich Korinna auf dem Schiff ab und bat Bomilkar, für Essen, warmes Wasser und frische Kleidung zu sorgen. Sie küßte meine Hand, ehe ich mich dagegen verwahren konnte.
    Der kleine Hügel westlich der Stadt bot einen prächtigen Blick auf den astakenischen Meerbusen, Nikomedeia, den Hafen und die Berge. Das Wasser schillerte von blaugrün nach schwarz hinüber; die kleinen Boote der Nachtfischer verließen den Hafen, wie an einer Schnur aufgereiht. Rechts unterhalb des Hügels begann der lichte Wald um den Palast des Prusias; die Mauern und Türme glommen grellweiß im Laub.
    Ich setzte mich auf den Sockel einer umgestürzten Säule. Die Ruinen des alten Artemis-Heiligtums waren gut geeignet für ein melancholisches Wiedersehen. Moos und Flechten hatten die meisten Steine erobert; nur in der Mitte der Fläche stand noch eine rissige Säule aufrecht.
    Er kam schnell bergauf, beinahe im Trab, federnd wie ein junger Mann. Sein Atem war kaum beschleunigt. Einen Moment lang legte er seine Wange an meine; dann schob er mich von sich, legte die Hände auf meine Schultern und sah mich an. Die Jahre – er mußte, überlegte ich, einundsechzig sein – hatten ihn nur wenig gezeichnet. Vielleicht war der Nasenrücken etwas schärfer, und sicher hatten sich die Fältchen um das linke Auge zu dichterem Netzwerk zusammengezogen. Aber der Blick war scharf und kühl wie immer, das Haar kaum angegraut, die Brauen und der Bart tief schwarz.
    »Es ist gut, dich zu

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