Hanibal
Grenzland zwischen Kyrene, Qart Hadasht und dem Reich der Ptolemaier; ein großer Sklavenhändler, der sie mit anderen nach Sabrata brachte. Von dort gelangte sie mit einem weiteren Sklavenzug nach Qart Hadasht und in den Besitz der Bank.
»Und jetzt? Du bist frei.«
Sie trank Wasser und Wein, setzte den Krug ab und blickte nachdenklich in die Flamme des Öllichts. »Ich weiß es nicht. Nach so langer Zeit… Was ist das, frei? Sind Vögel frei von den Fesseln des Himmels? Fliegen sie jedes Jahr zum selben Nistplatz, weil sie wollen oder weil sie müssen?«
Antigonos rieb den Hinterkopf an der Wand und zog die Decke höher. »Frei? Wahrscheinlich heißt das nur, daß man zwischen mehreren Dingen wählen kann – aber auch wählen muß. Ich kann arbeiten oder verhungern, also muß ich arbeiten. Wenn ich mehrere Arten von Arbeit erledigen kann, kann ich wählen. Wenn ich ein freier Goldschläger bin, der nur Goldschlagen kann, habe ich keine Wahl.«
Sie reichte ihm den Krug. »Was ist dann meine Freiheit? Außer, daß ich nicht mehr Sklavin bin. Irgendwann muß ich sterben, bis dahin muß ich leben; ich muß entweder hierbleiben oder fortgehen; ich muß Düfte schmecken und mischen, weil ich sonst unglücklich wäre. Nur die Götter sind frei.«
Antigonos stieß ein kurzes häßliches Lachen aus. »Die Götter? Welche? Die deines Volks, die zugelassen haben, daß du verschleppt wurdest? Die der Garamanten? Die der Hellenen? Zeus, der nach menschlichem Beschluß donnern muß, ob er will oder nicht? Der punische Baal, der vielleicht lieber Melonen äße, aber lange Zeit mit Kindern gefüttert wurde? Nicht einmal der römische Kriegsgott ist frei – seine Lust und ihre Erfüllung hängen von den Beschlüssen des Senats ab.«
»Und Aphrodite von uns«, sagte sie traurig. »In uns war etwas, woher auch immer, das geweckt wurde, als wir uns gestern begegnet sind. Dies hier war köstlich, aber es mußte geschehen. Wie ein Erdbeben oder Regen. Unsere Wahl war nur dieser Raum, dieses Bett, statt eines Kornfelds oder des Bootsstegs.«
»Da ist es jetzt zu kalt.« Antigonos lächelte, stellte den Krug auf den Boden, beugte sich vor und berührte Tsuniros Brüste. Sie blinzelte, sagte »Huh!«, blieb aber an die Wand gelehnt sitzen, bis Antigonos die Decke von ihren Beinen hob.
»Aber es nicht zu wiederholen«, sagte er leise, »oder es genauso zu machen, oder anders, in vielen weiteren Nächten, die Wahl haben wir.«
Sie glitt auf die Liege; das Leder quietschte unter ihrer Ferse.
Dann legte sie die Arme um Antigonos’ Hals und zog ihn zu sich herab. »Haben wir die wirklich?«
Gegen Mitternacht flackerte nicht weit vom Fuß der Treppe noch immer ein Feuer. Frauen kreischten, Männerstimmen brüllten Warnungen oder Aufmunterndes, aber die Kämpfer schienen nichts zu hören. Einer der beiden Iberer wandte der Treppe den Rücken zu; das Gesicht des anderen, vom Feuer unruhig erhellt, war gezeichnet. Blut sickerte aus dem Mundwinkel; ein Auge war geschwollen. Geduckt standen sie einander gegenüber, die kurzen iberischen Stichschwerter in den Händen. Jäh taute das gefrorene Bild auf; die Waffen klirrten, die Körper verschwammen, zuckten hierhin und dorthin.
»Bleib hier«, knurrte Antigonos. Er sprang die letzten Stufen hinunter. Tsuniro klammerte sich an das Geländer. Mit drei langen Sätzen erreichte er die Kämpfenden, rammte dem ersten aus dem Sprung heraus die Faust an den Hals, daß er zur Seite geschleudert wurde, duckte sich, tauchte unter dem brusthohen Schwertstich des anderen weg und prallte mit dem Schädel in die Magengrube des Iberers. Das Schwert flog zur Seite, der Mann brach zusammen, krümmte sich am Boden, rang nach Luft; endlich übergab er sich wimmernd und keuchend. Der erste lag ein paar Schritte entfernt, offenbar bewußtlos.
Antigonos sprang auf, fuhr herum und ging mit kurzen Schritten zu den Schaulustigen am Feuer. Seine Schläfen pochten. Er suchte nach iberischen Wörtern.
»Mein Dach«, sagte er heiser. Er beschrieb einen weiten hohen Bogen mit dem rechten Arm. »Ihr euch töten, dann rausgehen vor Mauer. Wo Scharführer?«
Jemand deutete auf eine Gestalt, die sich schwankend von einem Holzstapel erhob. Anders als die beiden Kämpfer, die nur kurze Unterleibsröcke getragen hatten, war der Mann vollständig bekleidet, mit Brustschutz, Helm und hellem Umhang; und er war vollständig betrunken. Er stierte Antigonos an.
»Unterführer?«
Als der Mann nickte, schlug Antigonos zu.
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