Hanibal
Der Hieb war im Ansatz selbst für einen Nüchternen kaum zu sehen. Die flache Hand klatschte gegen die Wange des Iberers. Der unbefestigte topfartige Bronzehelm schepperte auf die Steine. Mit Ohrfeigen trieb Antigonos den Unterführer vor sich her, zur Zisterne. Der Mann kreiselte, fiel aber wunderbarerweise nicht um.
Neben der Zisterne stand eine Reihe von Eimern, Kübeln und Bottichen. Einige enthielten – soweit Antigonos es im schwachen Licht des entfernten Feuers sehen konnte – sauberes Wasser, andere Urin und Kot. Er drängte den Iberer zu den Kübeln, packte ihn am Nacken und tauchte ihn mit dem Kopf in einen Koteimer, riß ihn wieder hoch, stieß ihn ins stinkende nasse Gelb des nächsten Behälters. Gurgelnd und krächzend kam der Mann hoch; plötzlich hatte er ein Messer in der Hand, das im Gürtel gesteckt haben mußte. Antigonos’ Handkante traf den Unterarm, das Messer flog irgendwohin. Das Knie des Hellenen zuckte hoch, traf die Weichteile des Unterführers; der Mann sackte vornüber. Antigonos richtete ihn auf und schleuderte ihn gegen die Haus wand, wo er langsam zu Boden sank.
Der Hellene bückte sich nach einem Wassereimer und bemerkte plötzlich, daß sich hinter ihm ein Halbkreis stummer Männer und Frauen gebildet hatte. Einen Moment zögerte er – ein falscher Schritt, ein falsches Wort… Dann wandte er sich dem Unterführer zu und klatschte ihm den Inhalt des Wassereimers ins Gesicht. Ein weiterer Eimer. Umhang, Brustpanzer, Chiton, alles war besudelt, aber der Kopf war wieder sauber. Antigonos ergriff den Mann an den Schultern, zog ihn hoch und lehnte ihn an die Wand. Die Pupillen zuckten noch immer, richteten sich aber beinahe auf das Gesicht des Hellenen. Unter der glasigen Schicht waren die Augen voll von Staunen und Wut.
»Hör zu, Unterführer. Deine Leute hier. Wenn noch einmal in mein Haus Schwertkampf, dann du Trichter in Mund und voll Pisse, verstehen? Hinterher peitschen bis Knochen nackt. Das ohne Mandunis, nur wir. Klar?«
Als er sich abwandte, öffnete sich hinter ihm der Halbkreis.
Einige der Frauen lächelten, ein Mann nickte, mehrere iberische Krieger standen stramm und schlugen die rechte Faust an die Brust.
Tsuniro schwieg, bis sie auf der Straße waren. Vor einer Taverne, aus der flackerndes Fackellicht ins Freie fiel, blieb sie stehen, hielt Antigonos fest und sah ihm ins Gesicht.
»Herr der Bank, Erfinder des Dorfs der Handwerker – bist du auch Krieger?«
Er lächelte müde. »Vor allem bin ich schläfrig und habe Hunger. Komm. Im Haus der Weinhändler gibt es spätes Essen und ein Bett.«
»Für mich? Lassen sie eine Schwarze ein?«
»Warum nicht? Und wenn nicht…« Er hob die Schultern und spuckte aus. »Wenn nicht, kaufe ich die Zunft, schicke den Wirt zu den Garamanten und lasse das Haus abreißen. Ich halte es für besser, diese Nacht nicht bei den Iberern zu sein. Die sollen das zuerst einmal untereinander ausmachen.«
Ihre Schritte hallten von den Häusern an der Großen Straße wider. Hinter vielen halbverhängten Fenstern war noch Licht. Zwei Männer der Stadtwache, mit Speeren und Fackeln, standen unter einem Baum; ein dritter kam mit einem Handkarren herbei. Vom dicksten Ast baumelte der Leichnam eines dicken Mannes. Ein dunkler Vogel flatterte krächzend auf, als einer der Wächter die Fackel zum Gesicht des Toten hob.
Wo die Große Straße sich zum Platz der Schwarzen Göttin öffnete, drängten sich Menschen. Sie waren bedrückend still. Eine einzige Stimme wimmerte schrill und unausgesetzt. Zu Füßen der alten schwarzen Tanitsäule lagen zwei hellhäutige Frauen; Fackeln beleuchteten die Gesichter der Umstehenden, die ein paar Wächtern Platz machten, und die Blutlachen. Eine ältere Frau kauerte neben den beiden Leichen; sie schaukelte vor und zurück, hatte den Kopf verhüllt und stieß diesen furchtbaren Ton aus.
»Punierinnen«, sagte einer der Wächter. Er rammte seinen Speer in einen Spalt zwischen zwei Straßenziegeln. »Bisher haben die Söldner sich mit Sklavinnen begnügt, aber…«
Antigonos tastete nach Tsuniros Hand. »Weg hier«, sagte er leise. Sie gingen über den Platz. Am Brunnen soffen streunende Hunde aus einer Pfütze; Katzen kreischten von vorspringenden Dächern.
»Es wird immer schlimmer, nicht wahr?«
»Es ist noch harmlos. Die Herren des Rats werden wahrscheinlich erst dann erwachen, wenn alle dreißigtausend durch die Stadt rasen. Bisher, das sind nur einzelne.«
»Noch einmal – als du die Iberer
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