Hannah, Mari
Nach dem spektakulären Fehler, den sie begangen hatte, hätte man doch annehmen sollen, dass sie sich jetzt in die Hosen machte.
Warum also sah sie so gar nicht danach aus?
Da er keine Fortschritte bezüglich Dottys Aufenthaltsort gemacht hatte, hatte er sich die Zeit damit vertrieben, zu beobachten, zu warten, und sich besser mit DCI Daniels vertraut zu machen. Ihr hierherzufolgen, war ein genialer Streich. Er war hinter all den anderen traurigen Gestalten, die nichts Besseres zu tun hatten, als sich anderer Leute Angelegenheiten anzuhören, auf die öffentliche Tribüne geschlüpft.
Während der weibliche Amtsdiener alle Beteiligten der Kautionsverhandlung aus dem Saal drängte, hörte die Frau zu seiner Linken auf, sich Notizen zu machen und löste weiter ihr Kreuzworträtsel; die zu seiner Rechten klebte an einem Kriminalroman. Es juckte ihn. Am liebsten hätte er sich hinübergelehnt und ihr gesagt, dass sie neben dem wahren Mörder saß, nur um die Reaktion in ihrem Gesicht zu sehen.
Daniels erhob sich und kam dicht an ihm vorbei, als sie den Raum verließ. Er atmete ihr Parfüm ein, als sie vorbeiging. Sie waren sich so nah, dass er die Hand nach ihr hätte ausstrecken und sie berühren können. Allein der Gedanke, sie anzufassen, ließ ihn schon hart werden. Sie sprach leise mit einem jungen Kerl auf der Pressebank. Sie steckten offensichtlich unter einer Decke: Es wurde ein Eine-Hand-wäscht-die-andere-Deal ausgehandelt.
Manchmal machte die Polizei ihn krank. Er war es, der in den Nachrichten auftauchen sollte, nicht Soulsby oder Bright – und ganz bestimmt nicht Daniels. Sie war ein hoffnungsloser Fall, wenn er darüber nachdachte. Er hoffte nur, dass sie beim Ficken besser war als als Detective. Der Reporter nickte, ein schiefes Lächeln im Gesicht, als er in seine obere Tasche griff, eine Visitenkarte herauszog und sie ihr gab. Sie tat dasselbe, dann ging sie. Also, Karten hatte er auch, nur verabschiedeten seine jemanden, anstatt ihn vorzustellen.
Er kicherte.
»Erheben Sie sich!«, sagte der Amtsdiener laut.
Die Tür zum Gerichtssaal öffnete sich, und der Richter kam wieder herein.
Die Frau zu seiner Linken vertauschte das Rätsel wieder mit ihrem Notizbuch; die zu seiner Rechten klappte den Roman zu, einen John-Grisham-Bestseller, wie er bemerkte. Das Cover zeigte die Silhouette eines Mannes von hinten, von einer Straßenlaterne beleuchtet, ein Schatten auf der Wand vor ihm, und der Titel war in weißen Buchstaben auf den unteren Teil des Covers geprägt: Der Partner.
Und dann traf es ihn wie ein Ziegelstein.
Sah Daniels deshalb so erleichtert aus?
Mein Gott, das war es.
Oh, Scheiße!
Die hatten was miteinander.
Das hier war so bizarr, dass man es sich nicht hätte ausdenken können. Erst bringt er einen Typen um, der sich als der Ex seiner Psychotante herausstellt – noch dazu einer kontrollierenden Frau, der es gefiel, ihn herumzuschubsen dann wird sie durch eine grausame Wendung des Schicksals dafür eingebuchtet, was ihm die Freiheit gibt weiterzumachen wie bisher. Als er ihren Namen in allen Zeitungen des Landes gesehen, und so herausgefunden hatte, dass sie früher mal mit Stephens verheiratet gewesen war, hatte er gelacht, bis ihm die Tränen kamen. Was für ein Idiot hatte doch gleich gesagt, es gäbe keinen Zufall? Und dann kommt heraus, dass die Frau, die hinter ihm her sein sollte, die Schlampe vögelt.
Und was würden ACC Martin und Superintendent Nicht-wirklich-Helle jetzt daraus machen?
76
Sie sahen aus wie ein gelangweiltes Ehepaar, atmeten dieselbe Luft, saßen auf derselben Holzbank vor Martins Büro, allerdings im größtmöglichen Abstand voneinander, blickten geradeaus und sprachen kein Wort – jeder in seine eigenen Gedanken versunken.
Vor einer Stunde hatte Bright sie in sein Büro bestellt, weil er einen anonymen Hinweis bekommen hatte – einen Brief, der persönlich am Eingang des Präsidiums abgegeben worden war, und in dem angedeutet wurde, dass zwischen ihr und Jo Soulsby eine unangemessene Beziehung bestand.
Dem Anschein nach hatte der ACC ein identisches Schreiben erhalten.
Daniels war enttäuscht. War es ein vergrätzter Kollege gewesen, der ihr Ärger machen wollte? Dergleichen hatte es auch schon gegeben, bevor sie Karriere gemacht hatte. Aber wann und wie hatten sie die Beziehung zwischen ihr und Jo entdeckt? Sie wusste, dass Gormley niemals etwas sagen würde. Und Jo ganz sicher auch nicht. Andererseits war sie in letzter Zeit durch die
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