Hannah, Mari
nicht gefallen würde, was er zu sagen hatte. Aber sie machte sich viel zu viele Sorgen um Jo, als dass sie ernsthaft darüber nachgedacht hätte. Es war alles schon so schlimm, dass es gar nicht schlimmer werden konnte. »Kümmer du dich mal lieber um dich selbst«, sagte er. »Andy hat gemerkt, dass du da ein persönliches Interesse hast und nicht unbedingt delegierst, wie es ein leitender Ermittler tun sollte.«
»Ach, Andy soll sich um seinen eigenen Kram kümmern.«
Er sah sie besorgt an, wie ein guter Freund.
»Was denn?«, fragte sie bissig.
»Das ist deine große Chance, Kate. Ich fände es schrecklich, wenn ich dabei zusehen müsste, wie du es versaust.«
Sie sah ihn trotzig an, blickte auf die Uhr und trank die letzten Tropfen ihres Tees. »Iss auf. Du kannst mich zurück ins Büro begleiten. Ich hab noch eine Vernehmung auf dem Zettel.«
Wenige Minuten später betrat Daniels ein spärlich eingerichtetes, fensterloses Vernehmungszimmer, vier Stühle und ein Tisch mit abgestoßenen Resopalecken. Robson lungerte an der Tür herum, und James Stephens saß am Tisch. Daniels lächelte ihn an, als sie sich ebenfalls setzte und sich entspannt zurücklehnte, um die Tatsache zu unterstreichen, dass es sich hier um ein informelles Gespräch handelte. Es funktionierte nicht. James übliches Draufgängertum hatte ihn verlassen: Er schwitzte, trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf seinen Oberschenkel und beäugte misstrauisch das Aufnahmegerät, das in einem in die Mauer eingelassenen Fach stand.
Da sie seine Unruhe erkannte, zeigte Daniels auf das Gerät. »Entspannen Sie sich, James, es ist nicht eingeschaltet. Sie sind freiwillig hier. Ich möchte nur so viel wie möglich über Ihren Vater erfahren, dann können Sie wieder gehen. Ich kann mir vorstellen, dass es ein langer Tag für Sie war. Sie möchten bestimmt so bald wie möglich nach Hause.«
James half das wenig. Sein Blick sprang von Daniels zu Robson und wieder zurück, bevor er bei der kleinen Kamera zur Ruhe kam, die in einer Ecke des Raumes angebracht war.
»Können Sie uns bitte sagen, wann Sie Ihren Vater zum letzten Mal gesehen haben?«, fragte Daniels.
»Vor ungefähr fünf Jahren, grob geschätzt. Ich erinnere mich nicht genau.«
»Das ist lange her.«
»Nicht, wenn Sie ihn gekannt hätten. Er war geschäftlich hier in der Gegend, hat sich dazu herabgelassen, sich für eine Stunde mit uns zu treffen, und dann hat er gemacht, was er am besten kann, ist wieder abgehauen – und hat vergessen, dass es uns je gegeben hat.«
»Und vor drei Jahren, als Tom ihn gesehen hat, da haben Sie ihn nicht getroffen?«
James ging sofort in die Defensive: »Na und?«
Daniels drängte sanft. »Gab es einen Grund dafür?«
»Ich hatte keine Zeit.«
»Tom hat Zeit gefunden«, sagte sie.
»Tom gibt sich mit wenig zufrieden!«
Daniels beobachtete ihn wie ein Falke. Der Junge ähnelte seiner Mutter so sehr, dass sie Jos Gegenwart beinahe spüren konnte. Und das machte sie nervös.
Robson nahm neben ihr Platz. »Nun werden Sie mal nicht gleich sauer, James. Wir versuchen nur herauszufinden, wer Ihren Vater umgebracht hat.«
»Er war nur mein biologischer Vater!«
»Was auch immer!«, sagte Robson.
»Ich wollte nur sagen, dass es mehr braucht als Fleisch und Blut, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Offensichtlich war in dieser Familie einiges im Argen. Tom Stephens hatte nicht viel über die schwierige Beziehung seines Bruders zu dem Verstorbenen preisgeben wollen. Sie fragte sich, wie tief die Probleme reichten. Sie lächelte James an, versuchte, ihm Sicherheit zu vermitteln. »Schon in Ordnung, ich bin im Moment auch nicht allzu scharf darauf, meinen alten Herrn zu sehen.«
Als er spürte, dass sie genau wusste, was in ihm vorging, entspannte sich James ein wenig, ließ die Schultern sinken und gab auch etwas von seiner widerspenstigen Haltung auf. »Sehen Sie, mein Vater war ein Mistkerl. Er hat meine Mutter wie ein Stück Scheiße behandelt und wahrscheinlich nur bekommen, was er verdient hat, okay?«
Daniels mochte seine Art. Ihrer Erfahrung in Mordfällen nach war Ehrlichkeit bei weitem die beste Strategie. Sofern James nicht die Kunst der doppelten Bluffs perfekt beherrschte, hielt sie es für unwahrscheinlich, dass er so schlecht über seinen Vater reden würde, wenn er ihn ermordet hätte.
Sie wechselte das Thema: »Und wie ist Ihre Beziehung zu Monica?«
»Auch nur eine von den vielen Schlampen meines Vaters.«
»Warum sagen Sie
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