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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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früher gegangen und hätte sich ein Taxi geleistet. Dieser ekelhafte Kerl starrte sie schon seit der letzten Haltestelle an, sein Blick kroch über sie hinweg, registrierte jede Einzelheit ihres Gesichts, jeden Knopf an ihrer Jacke, den Schnitt ihres Rocks, ihre Beine, ihre Schuhe. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, warum er sie so eingehend und abschätzend musterte, was er vorhaben mochte. Er war schmutzig und unrasiert. Wahrscheinlich auch noch betrunken oder high von irgendwelchen Drogen, dachte sie. Und doch zeigte er eine Präsenz, hatte so etwas Waches an sich, was dem widersprach.
    Sie wich seinem Blick aus und rutschte unbehaglich auf ihrem Sitz herum. Doch aus dem Fenster zu sehen, half auch nicht. Zum zweiten Mal in ebenso vielen Wochen hatte ein Stromausfall den Norden der Stadt in tiefste Dunkelheit gestürzt, Chaos verbreitet, und zwanzigtausend Wohnungen waren von der Versorgung abgeschnitten. Vom fahrenden Zug aus betrachtet, gab es draußen keinerlei Anhaltspunkte, keine vertrauten Gebäude, keinen Mond, nur hier und da mal ein Kerzenlicht im Fenster eines der Häuser entlang der Strecke.
    Und sonst nur rabenschwarze Dunkelheit.
    Und diese Augen …
    Der Zug wurde langsamer. Er blickte sie an, beinahe ein höhnisches Grinsen. Sollte sie sich bei der nächsten Gelegenheit umsetzen? Aussteigen? Bleiben, wo sie war? Was, wenn er ihr folgte? Ihr Körper fühlte sich an, als sei er an der Bank festgefroren, weigerte sich, ihren Anweisungen Folge zu leisten. Zu spät. Ein Summer ertönte. Die Türen schlossen sich.
     
    Seufzend blickte er wieder auf die Zeitung, und dann kam ihm eine Idee. Er nahm einen Stift aus der Tasche und schrieb ihren Namen auf seinen Handrücken: Detective Chief Inspector Kate Daniels. Vielleicht mussten sie einander einfach mal besser kennenlernen.
    Vielleicht …
    Der Gedanke gefiel ihm.
    Aber im Augenblick hatte er nur eine Sache im Kopf. Er ließ die Zeitung zu Boden gleiten, steckte die Hand in seine Tasche und grinste die Frau ihm gegenüber an. Ihr Gesicht wurde bleich, als er die Schere herauszog und damit herumspielte, sie dabei spöttisch ansah, während niemand im Wagen auf sie achtete.
    Wo war denn ein Wachmann, wenn man mal einen brauchte, he?
    Er hatte eine Weile gebraucht, aber er hatte sein nächstes Opfer schon aufgespürt. Am Ende würde er sie alle aufspüren. Da sah man mal, was Ausbildung vermochte. In einem Schwung vom Klassenidioten zum Computer-Zauberer. Sehr nett. Merkte die nicht allmählich mal, dass er ein Genie war? Er schnitt um Maliks lächelndes Gesicht herum. Noch am Leben, aber nicht mehr lange. Dann hielt er das Bild seiner neuen Freundin und Reisegefährtin hin. Scheiß drauf! Morgen würde er wieder unterwegs sein. Gleich bei Tagesanbruch. Ein umso bedeutenderer Tag, als es ein Sonntag war.
    Er zwinkerte der Frau zu.
    Ein Glück für sie, dass er es heute angesehen hatte.

36
    Gormley verspeiste mit Begeisterung ein Pfannengericht, als Daniels sich mit ihm in der Kantine traf. Behaglichkeit suchte man hier vergeblich. Eine der typischen Einrichtungen, die darauf zugeschnitten waren, Kunden in der kürzestmöglichen Zeit durchzuschleusen. Seit die Verpflegung an einen externen Dienstleister abgegeben worden war, war die Qualität noch weiter gesunken. Daniels hatte hier schon seit Wochen nicht mehr warm gegessen. Sie entschied sich für einen Becher Tee und ein Sandwich, dankte der Frau hinter der Theke und ging zu Gormleys Tisch hinüber.
    Er sprach mit vollem Mund.
    »Irgendwas Neues von Jo?«
    Daniels hob die obere Scheibe von ihrem Sandwich ab und entdeckte, dass der Belag so gut wie nicht existent war. Als sie das Sandwich angewidert von sich schob, beugte Gormley sich vor und schnappte sich das Brot. Er begann, Bohnen darauf zu häufen, wobei er immer wieder Ausreißer mit der Gabel einfing.
    Sie zog eine Grimasse. »Mein Gott, Hank, wie kannst du das nur essen?«
    Gormley verstand offensichtlich nicht, was sie hatte. Mit einem Stück Brot wischte er seinen Tellerrand ab und setzte sein Mahl fort, als sei es von einem Sternekoch extra für ihn zubereitet worden. »Ich hab gehört, sie sei in einem grauenvollen Zustand«, sagte er. »Irgendjemand hat mir erzählt, dass sie im Krankenwagen einen Herzstillstand hatte. Stimmt das?«
    Daniels nickte nüchtern.
    »Was dagegen, wenn ich mich da mal einmische?« Gormley hörte auf zu kauen, schob seinen Teller weg und wischte sich die Hände an einer Serviette ab. Daniels ahnte, dass ihr

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