Hannah, Mari
Schulfreunde mehr Kontakt – konnte sich kaum an ein paar Namen erinnern –, und soziales Netzwerken lag ihr definitiv nicht. Kirsten hob den Arm, lenkte die Aufmerksamkeit einer Bedienung auf sich und zeigte mit missbilligendem Blick auf ein paar verlassene Gläser. Als das Mädchen loseilte, um sie einzusammeln, wandte sie sich wieder Daniels zu.
»Sorry, wenn ich nicht ständig hinterher wäre, wäre das hier eine Müllhalde«, sagte sie mit einem trockenen Lächeln. »Sie fragen sich, warum jemand mit einem Jura-Examen in einer Weinbar bedient, stimmt’s?«
Daniels hatte sich nichts dergleichen gefragt. Sie dachte über Kirstens Beziehung zu Jo nach. Das war nicht die Frau, die zwischen sie gekommen war. Aber waren die beiden wirklich nur gute Freunde? Oder gab es da noch etwas anderes?
Sie spielte mit. »Entschuldigung – normalerweise bin ich nicht so direkt.«
»Mir gehört der Laden hier. Und ein paar andere auch«, erklärte Kirsten.
»Ich bin beeindruckt«, log Daniels. »Was hat Jo denn dazu gebracht, ihre Meinung zu ändern?«
Kirsten lächelte, beinahe schon kokett. »Oh, ich kann ziemlich überzeugend sein, Kate.«
60
Am nächsten Morgen fuhr Kate Daniels direkt ins Präsidium. Obwohl sie vorher angerufen hatte, um Bright anzukündigen, dass sie auf dem Weg war, fand sie ihn nicht in seinem Büro. Seine Sekretärin sagte ihr, dass er spazieren gegangen sei, um den Kopf frei zu bekommen. Daniels überlegte, ob das bedeutete, dass er am Vorabend zu viel getrunken hatte, bedankte sich und verließ das Gebäude.
Sie fand ihn auf dem Sportplatz, wo er einer Kompanie neuer Rekruten beim Training zusah. Als er ihre Gegenwart wahrnahm, machte er eine Bemerkung darüber, wie schnell seine fünfundzwanzig Jahre im Dienst vergangen waren. Daniels konnte ihm da nur zustimmen – ihre eigenen fünfzehn Jahre waren ebenfalls wie im Flug vergangen. Er drehte sich um und sah sie durchdringend an. Einen Augenblick lang dachte sie, er wollte etwas Persönliches sagen, doch stattdessen warnte er sie davor, auf gewisse Füße zu treten. Sie wussten beide, wen er meinte.
»Ich will verdammt sein, wenn ich ihn anders behandele, nur weil er zufällig ein Vorgesetzter ist«, gab Daniels bissig zurück. »Martin lügt definitiv, Chef. Und ich bin wild entschlossen, dem auf den Grund zu gehen.«
»Aber er ist auch der ACC«, gab Bright zu bedenken. »Was glaubst du wohl, warum wir dieses Gespräch nicht in meinem Büro führen?«
»Das ändert doch nichts, oder?« Eine Pause. »Oder doch?«
»Ich sage nur, pass auf, wem du dich in den Weg stellst, es sei denn, du würdest dich freuen, den Rest deiner Tage bei der Verkehrspolizei zu verbringen. Ich weiß, dass es vielleicht nicht immer danach aussieht, aber deine Karriere bedeutet mir etwas. Hat sie schon immer.«
»Ich weiß das zu schätzen, Chef.«
»Gut. Na, und was ist sonst noch passiert? Sind wir irgendwie weitergekommen?«
»Deswegen wollte ich mit dir sprechen. Ich weiß jetzt, wo Jo war, jedenfalls bis ungefähr um Mitternacht am fünften November. Ich muss das überprüfen, die anderen potentiellen Zeugen auftreiben, das sollte aber nicht lange dauern.«
Bright hörte aufmerksam zu. Sie erzählte ihm von dem Treffen, von der Aussage, die sie von Kirsten Edwards erhalten hatte, von der Notwendigkeit, die anderen ausfindig zu machen, um die Geschichte zu bestätigen. Eine Weile lang sagte er gar nichts, aber sie konnte an seinem Gesichtsausdruck ablesen, dass er nachrechnete.
»Mitternacht hast du gesagt?«
Daniels nickte. Sie wusste, was jetzt kommen würde.
»Wenn das Taxi sie nicht vor halb zwei abgeholt hat, sind da immer noch anderthalb Stunden, über die wir nichts wissen.«
»Deshalb muss ich noch …«
»Das ist genug Zeit, um einen Völkermord zu begehen, ganz zu schweigen davon, Stephens umzubringen!«
Daniels fuhr doppelt so schnell wie sonst zurück in die Stadt. Als sie die Einsatzzentrale betrat, hielt sie direkt auf Gormleys Tisch zu und bat ihn, mit in ihr Büro zu kommen. Sie ging vor, warf sich auf ihren Stuhl und wartete, bis er die Tür hinter sich zugemacht hatte.
»Irgendwelche Fortschritte hinsichtlich Monicas Alibi?«, fragte sie.
»Die Überwachungskameras am Flughafen haben sie und ihre Freundin gegen neun Uhr fünfundzwanzig aufgenommen, als sie ankamen, Monica beim Verlassen des Flughafens um elf Uhr siebenundvierzig, und Teresa Branson beim Einsteigen in ihre Maschine zu etwa derselben Zeit. Sie hatte übrigens
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