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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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seinen nächsten Schachzug, und die Bullen waren das Letzte, was ihm Sorgen machte. Es verlangte ihn nach der Schere, er konnte den nächsten Schnitt kaum erwarten, aber das Aufspüren von Nummer sechs stellte sich als schwieriger heraus als das der anderen, und hier war Ausdauer gefragt.
    Es sollte kein Wettrennen sein, so rief er sich selbst in Erinnerung, das Ganze war auf lange Sicht angelegt, und er wollte jeden einzelnen Moment auskosten und sich zu seinen bisherigen Erfolgen gratulieren.
    Er hatte alle Zeit der Welt, um Dotty ausfindig zu machen.
    »Geduld ist eine Tugend!«, hallte eine scharfe Stimme in seinem Kopf wider.
    Ihre verdammte Stimme, die einfach nicht schwinden wollte, unter der er sich krümmen musste, die ihn aufwühlte, ihn nachts schweißgebadet und tränenüberströmt erwachen ließ, während ihr wedelnder Zeigefinger ihm noch vor Augen stand und er sich unter der Decke zusammenkauerte. Er hatte sie in letzter Zeit oft gehört. Aber so wie es für ihn keinen Ort gab, an dem er sich vor ihr verstecken konnte, gab es für sie auch keinen, um sich vor ihm zu verstecken.
    Sein Lächeln schwand.
    Plötzlich fiel ihm etwas ein, das ihn vor Wut kochen ließ. Er hätte die Gelegenheit nutzen sollen, vielleicht nutzen müssen, hätte Malik oder Jenny fragen sollen, wo sein nächstes Opfer lebte. Sie hätten es gewusst. Und wenn sie sich geweigert hätten, es auszuspucken, hätte er sie mit Vergnügen gefoltert, bis sie gequiekt hätten. Nun ja, er könnte immer noch seine Mutter fragen, aber das würde das ganze Spiel kaputt machen. Er wollte sie am Tropf hängen haben. Sie sollte gerüchteweise von den Toten erfahren, nach und nach ein eisiges Erschrecken, bis die grausame Hexe wusste, was sie erwartete.
    Nein, er würde Nummer sechs finden, und er würde das allein tun.
    Als er zum zweiten Stock hinaufblickte, starrte Detective Chief Inspector Daniels konzentriert aus dem Fenster. Wärme breitete sich in ihm aus, als ihm klar wurde, dass sie beide im selben Moment aneinander dachten, wie ein Pärchen liebeskranker Teenager, die zu schüchtern waren, um den ersten Schritt zu tun, während sie doch jede wache Minute damit verbrachten, den Tag herbeizusehnen, an dem sie schließlich zusammenkamen.
    Früher oder später würde sie verstehen, dass seine Opfer allesamt zur Truppe Gottes gehörten, und dann würde sie danach gieren, endlich seine Bekanntschaft zu machen.
    Oh, wie er sich nach dem Tag sehnte.

58
    »DCI Daniels’ Apparat … Hallo? … Daniels’ Büro.«
    Jo hatte nicht damit gerechnet, dass Gormley das Telefon abnahm. Sie bedeckte die Sprechmuschel mit der Hand und überlegte, was sie tun sollte. Sie dachte daran, einfach aufzulegen, aber sie musste mit jemandem sprechen. Und zwar mit niemandem anders als Kate Daniels.
    Vielleicht erkannte er sie ja nicht.
    »Ich muss mit DCI Daniels sprechen, und zwar sofort«, sagte sie.
    »Jo?«
    »Ja, ich bin’s.« Innerlich grinste sie, wünschte aber, Gormley würde einfach die Klappe halten und sie holen, auch wenn sie wusste, dass es zu seinem Job gehörte, Daniel Daniels’ Anrufe entgegenzunehmen. »Kann ich sie jetzt sprechen oder nicht?«
    »Warten Sie. Ich seh mal, was ich tun kann.«
    Es klickte in der Leitung. Während Jo wartete, stellte sie sich vor, wie Gormley durch die Eingeweide der betriebsamen Polizeizentrale streifte, folgte ihm im Geist auf seinem Weg, bis er sich plötzlich wieder zurückmeldete.
    »Jo?«
    »Ich bin noch dran.«
    »Tut mir leid, bis vor einer Minute war sie noch hier, aber jetzt ist sie gerade gegangen. Kann ich sonst noch was …?«
    Jo legte auf.
    Zehn Minuten später klingelte die Glocke, die den Beginn der Besuchszeit ankündigte. Durch die offenen Jalousien an ihrer Tür sah sie Leute mit Geschenken an ihrem Zimmer vorbeigehen: Blumen, Obst, Plätzchen, Luftballons. Jo schloss die Augen und kuschelte sich in ihr Bett, dann schlug sie sie wieder auf, als ein leises Klopfen an der Tür ertönte. Ihre frohe Erwartung wich sichtlicher Enttäuschung, als sie sah, wer da zur Tür hereinkam. Sie hatte gehofft, ja gebetet, dass es Kate Daniels sein möge.
    Kirsten Edwards schenkte Jo ein perfektes Lächeln. Sie war eine beeindruckende Irin mit rotbraunem Haar, grünen Augen und einer jugendlichen Figur. Sie trug gut geschnittene Kleidung, braune Wildlederschuhe und eine dazu passende, teure Handtasche am Arm. Im anderen Arm lag ein riesiger Strauß aus weißen Lilien, Nelken und Rosen, der ein Vermögen gekostet

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