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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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ganz wie die Frau, die sie ihr geschenkt hatte.
    Daniels spürte plötzlich einen Stich in der Brust.
    Sie hatten sich auf einer Party von gemeinsamen Bekannten kennengelernt, ein ganz normales Zusammentreffen wie so viele andere. Von Anfang an war klar gewesen, dass sie gute Freunde werden könnten. Sie hatte noch keine Ahnung, wozu dieses zufällige Treffen irgendwann führen würde, auch wenn sie seltsamerweise diese Frau nicht mehr aus dem Kopf bekam, nachdem Jo die Party frühzeitig verlassen hatte, ohne sich zu verabschieden. Daniels nahm an, dass sie in den Schoß einer Familie zurückgekehrt war, die in der Nähe wohnte, denn während des Abends war von Söhnen die Rede gewesen, einem Exmann, einem Miststück.
    Stets Detective, hatte Daniels den Abend damit verbracht, aufmerksam den Gesprächen der anderen zuzuhören, hier und da etwas Klatsch und Tratsch aufzuschnappen, während sie nur wenig von sich selbst preisgab. Vor allem Partygäste waren oft fasziniert davon, dass sie DCI bei der Mordkommission war. Und so war es auch diesmal gewesen, als irgendwann im Lauf des Abends ein paar Jungs sie aufzogen und darum bettelten, dass sie ihnen Handschellen anlegte, falls sie sich schlecht benähmen. Sie hatte es mit Fassung getragen und höflich gelächelt, obwohl sie das alles schon oft gehört hatte. Und danach, als sie sich umdrehen wollte, um sich weiter mit Jo zu unterhalten, war sie spurlos verschwunden – wie Aschenbrödel, bevor die Uhr Mitternacht schlug.
    Ohne zu wissen, ob sie sich jemals wieder begegnen würden, war sie in den Wochen danach merkwürdig enttäuscht gewesen. Und dann, eines Morgens, kam sie zur Arbeit und fand einen missmutigen Bright vor, der darüber lamentierte, dass die Polizei sich in die falsche Richtung entwickelte, sich im Besonderen beklagte über die immer moderneren Methoden, Kriminelle zu fangen, die die methodische und von Intelligenz geleitete Ermittlungsarbeit ablösten. Prompt hatte er Daniels dazu verdonnert, eine neue Kollegin kennenzulernen, eine Akademikerin, die ihnen von ganz oben aufgedrückt worden war, wie er sagte, von Leuten, die nicht mal ihren Arsch von ihrem Ellbogen unterscheiden konnten.
    Als Jo Soulsby in die Tür des Kriminaldezernats trat und sich als Northumbrias neuer Profiler vorstellte, machte Daniels’ Herz einen überraschenden Sprung, und es verschlug ihr für einen Augenblick die Sprache. Binnen Wochen waren sie zusammen, arbeiteten zusammen, lebten getrennt, waren jedoch Seelenverwandte.
    Und seit sie sich getrennt hatten?
    Die Wahrheit war, dass sie mit Jo etwas sehr Wertvolles verloren hatte. Und jetzt wollte sie es zurückhaben. In dem Augenblick, als ihre Beziehung zu Ende war, hatte sich ihre ganze Zukunft in Luft aufgelöst. Seitdem hatte sie nicht mehr gut geschlafen. Sie ging nie zu Partys, aß kaum mal außer Haus. Warum auch? Ohne Jo, mit der sie all das in ihrer speziellen Vertrautheit teilen konnte, gab es da, nun, gar nichts mehr. Daniels hatte sich seither in ihre Arbeit vergraben und sich damit abgefunden, für immer Single zu bleiben.
    Vielleicht war das ihr Schicksal.
    Daniels trank den Gin aus. Die Musik würde sie nur sentimental machen, deshalb schaltete sie sie aus, löschte das Licht, ging nach oben und rollte sich auf dem Bett vor dem Fernseher zusammen. Die nächsten Stunden verschwammen. Sie musste eingenickt sein, denn plötzlich wachte sie erschreckt auf, als sie eine Männerstimme hörte. Es war ein Moderator bei BBC News 24, der im Fernsehen die Pläne der Regierung erläuterte, einen weiteren Windpark in Northumbria zu errichten – eine Umweltschutzorganisation hatte zahlreiche Einwände dagegen erhoben. Normalerweise hätte sie das interessiert, aber um kurz nach halb vier morgens hatte sie keine Energie für so etwas.
    Sie wollte das Gerät gerade ausschalten, als der Bericht endete und Jos Bild auf dem Schirm erschien. Ihre Verhaftung hatte es in die landesweiten Nachrichten geschafft. Daniels hörte aufmerksam dem Kommentator zu, dessen Konterfei von Außenaufnahmen abgelöst wurde, die Tom und James Stephens zeigten, wie sie zusammen mit William Oliver das Magistratsgericht in Newcastle verließen und der wartenden Presse direkt in die Arme liefen. Daniels klebte förmlich am Fernseher, während ihr persönlicher Albtraum landesweit übertragen wurde. In ihrem ganzen Leben hatte sie sich noch nie so einsam gefühlt.
    Auf dem Bildschirm hob Oliver die Hand, um die drängelnde Meute aus Fotografen und

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