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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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vor, mit leblosen Augen, die zu ihm hoch starrten, Blut, das aus jeder Körperöffnung floss.
    »Zeit für den Abschied!«
    »Dann mach schon«, sagte der Junge tapfer. »Bringen wir’s hinter uns, wenn’s schon sein muss.«
    »Tst, tst. So spricht man aber nicht mit einem Erwachsenen, oder?«
    »Tut mir leid.«
    Ihm tat es tatsächlich leid. Das erkannte er, wenn er ihn nur ansah. War es wirklich nötig, ihn zu töten? Nicht unbedingt. Der Junge hatte keine Ahnung, wer er war – welche Bedrohung konnte denn schon von ihm ausgehen?
    »Es ist so, mein Junge, ich kann einfach nichts Unerledigtes leiden«, sagte er. »Nimm’s nicht persönlich.«
    »Da hab ich kein Problem mit …«, sagte der Junge, zog Rotz die Nase hoch und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel ab. »Mich wollen die Bullen doch auch. Ich geh auch kein Risiko ein, wenn ich nicht unbedingt muss. Ich sag keinem was, versprochen.«
    »Wirklich?«
    Der Junge nickte. »Wirklich.«
    Er ließ die Waffe ein wenig sinken und löste den Klammergriff an seiner Schulter. »Woher weiß ich, dass ich dir vertrauen kann? Denk da mal scharf drüber nach. Du musst mir die richtige Antwort geben, wenn du deine Haut retten willst.«
    »Ehrlich, du kannst mir trauen. Das schwör ich beim Leben meiner Mutter.«
    Dummes Kind.
    Eine Lücke im Verkehr, und weg war er.

67
    Ihre Stimmung passte bestens zu dem Tiefdruckgebiet, das gerade durchzog. Es war über drei Wochen her, dass Jo verhaftet worden war, und nach der lokalen und überregionalen Berichterstattung zu dem Fall war ihr Ruf ruiniert. Daniels hatte sich darum bemüht, jeden Zeitungsartikel zu lesen, in einigen wurde Jo als eine kaltblütige Mörderin beschrieben, die eine von langer Hand geplante Exekution durchgeführt hatte. Vom Standpunkt der Journalisten aus betrachtet, war das eine wahnsinnig gute Story, die man immer wieder neu aufgießen konnte, wenn es sonst nichts Berichtenswertes gab.
    Das war doch alles Schwachsinn.
    Und von Jo hatte sie immer noch nichts gehört.
    Zum ersten Mal in ihrem Arbeitsleben hatte Daniels sich in sich selbst zurückgezogen, ging auf Abstand zu ihrem Team, arbeitete allein ihre Aufgaben ab. Das musste aufhören. Einzelgängertum war noch nie ihr Stil gewesen. Das Team wurde allmählich unruhig – sie sah es den Leuten an.
    Die Hälfte war damit beschäftigt, die Akte für die Staatsanwaltschaft zusammenzustellen, die Übrigen arbeiteten bereits an einem anderen Fall und unterstützten das Team von Detective Inspector Fowler, um den Mord an einer bekannten Prostituierten zu klären.
    Daniels fühlte sich allein, isoliert und verunsichert. Sie beobachtete ihre Leute von der Tür ihres Büros aus. Sie zwang sich, die Einsatzzentrale zu betreten, und fragte sich, wann – ob – sie wieder jene Begeisterung für ihren Job aufbringen würde, die sie vor Jos Verhaftung empfunden hatte. Wo war diese verdammte Hingabe geblieben, auf der sie ihren guten Ruf aufgebaut hatte, diese Leidenschaft für die Polizeiarbeit, ohne die sie nicht leben konnte?
    Ein Telefon klingelte laut, und Robson nahm ab. Den Hörer zwischen Schulter und Wange geklemmt, machte er eine Handbewegung, als wiege er ein Baby. Gormley nickte und stand auf, um zur Kaffeemaschine zu gehen, tief in Gedanken. Als er ihren Blick spürte, sah er zu ihr hinüber, und sein niedergeschlagenes Gesicht heiterte sich auf, als er sie da stehen sah.
    Er lächelte, hielt einen Styropor-Kaffeebecher hoch, lud sie ein, es ihm gleichzutun. Daniels schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging in ihr Büro zurück, weil ihr die emotionale Energie fehlte, um ihm gerade jetzt gegenüberzutreten. Sie brauchte Resultate, keinen Smalltalk. Als sie an ihren Schreibtisch kam, piepste ihr Handy. Sie zog es aus der Tasche und setzte sich, um die SMS zu lesen, die Bright ihr gerade geschickt hatte. Sie bestand aus nur drei Worten: Sie ist tot.

68
    Daniels war erschöpft. Stellas Tod in relativ jungen Jahren hatte sie zur Vernunft gebracht. Da sie das Unvermeidliche nicht länger aufschieben wollte, hatte sie versucht, einen Brief zu schreiben, aber sie fand keine Worte.
    Wie konnte sie ihre Entscheidung erklären, die verschiedenen Bereiche ihres Lebens voneinander getrennt zu halten, oder erklären, warum es für sie so wichtig war, es in ihrer Karriere bis ganz nach oben zu schaffen? Was wollte sie beweisen, und wichtiger noch, wem?
    Am liebsten hätte sie ihrem Vater die Schuld an den Schwierigkeiten gegeben, in denen sie steckte, aber

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