Hannah, Mari
sagte nichts. Eine kurze Pause entstand, während Bright die Bedeutung der Information wirken ließ.
Im Beobachtungsraum musste Daniels sich erst einmal setzen. Sie fühlte sich verraten, fand es schwierig, sich zu konzentrieren, und noch schwieriger, zu akzeptieren, was sie gerade gehört hatte. Die Spurensicherung hatte die Trumpfkarte produziert; einen unwiderlegbaren Beweis dafür, dass Jo in Stephens’ Wohnung gewesen war – wenn nicht in der Mordnacht, so doch irgendwann in der Vergangenheit. Sie hatte Jo jede Gelegenheit gegeben, um sie ins Vertrauen zu ziehen. Was immer der Grund für ihr Schweigen sein mochte, sie hatte Daniels eine weitere unliebsame Überraschung bereitet, mit der sie nun zurechtkommen musste.
Wusste sie denn nicht, dass wer immer die Wahrheit kannte, die größte Macht hatte?
Bright starrte Jo über den Tisch hinweg an, kostete seinen Sieg aus und ließ der Verdächtigen Zeit, ihren Standpunkt noch einmal zu überdenken. Er schob ein paar Papiere zusammen und stand auf. Als er sich vom Tisch entfernte, schien Jo sich ein bisschen zu entspannen. Sie dachte offensichtlich, die Vernehmung sei vorüber.
Daniels wusste, dass sie es nicht war – ganz sicher nicht.
»In der Vergangenheit haben Sie behauptet, Alan Stephens habe Sie vergewaltigt, ist das richtig?«
Bright sagte das nüchtern, als spräche er über irgendetwas so Nebensächliches wie das graupelige Wetter draußen. Natürlich war das Absicht und verfehlte nicht seine Wirkung auf Jo. Sie wandte das Gesicht zu dem durchsichtigen Spiegel, der die Räume voneinander trennte, ihre Wut brodelte so dicht unter der Oberfläche, dass es ihr beinahe die Tränen in die Augen trieb, und es war, als wüsste sie, dass Daniels alles beobachtete.
Jo wandte sich wieder ihrem Ankläger zu. »Das geht unter die Gürtellinie, Superintendent. Ein Jammer, dass Sie und Ihre Leute sich damals nicht die Bohne dafür interessiert haben, als es passiert ist. Da hätte ich Ihre Unterstützung brauchen können.«
Bright lächelte und trieb es ohne Rücksicht auf ihre Gefühle noch ein bisschen weiter. Er genoss sich selbst, spielte mit seinem Gegenüber. Carmichael fand, dass alles danach aussah, als stünde ihre Verdächtige kurz vor dem Zusammenbruch.
»Sie haben ihn gehasst, oder?« Bright wartete. »ODER ETWA NICHT?«
Daniels zuckte zusammen, sie drängte Jo in Gedanken, sich nicht von ihm fertigmachen zu lassen, und fragte sich, wann Oliver endlich anfinge, für sein fettes Honorar zu arbeiten. Als hätte er ihre Gedanken vernommen, ergriff er plötzlich das Wort: »Das reicht! Sie verhalten sich feindselig, Superintendent. Meine Mandantin braucht eine Pause.«
Jo kochte inzwischen und kämpfte darum, nicht die Beherrschung zu verlieren. Daniels sah, dass alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war und ihre Lippen bleich waren. Wie immer, wenn sie wütend war.
Dann begann sie zurückzuschlagen. »Sie sind brutal, Bright, genau wie er es war«, sagte sie. »Ja, ich habe ihn gehasst. Ich habe ihn leidenschaftlich gehasst, aber das verstößt nicht gegen das Gesetz.«
Sie fixierte ihn über den Tisch hinweg, hielt seinem Blick stand, bis er wegsehen musste. Bright steckte das gerahmte Foto zurück in den Umschlag, in dem es angeliefert worden war, und lächelte dabei still vor sich hin.
»Diese angebliche Vergewaltigung hört sich …«
»ER HAT MICH VERGEWALTIGT!«, brüllte Jo.
»Natürlich, daran besteht ja kein Zweifel.« Brights Ton war jetzt etwas mitfühlender. »Deswegen haben Sie ihn ja auch umgebracht, aus Rache, oder etwa nicht?«
Jos Kiefermuskulatur war in Bewegung. Sie antwortete nicht.
»Sie wurden zur fraglichen Uhrzeit in völlig aufgelöstem Zustand an der Quayside gesehen.«
»Ja, nein, ich weiß nicht. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich mich nicht erinnern kann.«
»Die Mordwaffe wurde in der Nähe Ihres Büros gefunden.«
Oliver bestand darauf, dass sie eine Pause machten.
Bright ignorierte ihn und fiel weiter über Jo her. »Das Opfer ist Ihr Exmann, ein Mann, von dem Sie behaupten, er habe Sie vergewaltigt und den zu hassen Sie freimütig zugeben. Sie leugnen, in seiner Wohnung gewesen zu sein, und doch haben wir Ihre Fingerabdrücke darin gefunden. Ich denke, Sie haben ihn getötet und schützen den Gedächtnisverlust nur vor, weil Ihnen nichts anderes übrig bleibt. Josephine Soulsby, hiermit beschuldige ich Sie in aller Form des Mordes an Alan Stephens …«
Jos hasserfüllte Antwort hallte noch in
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