Hannahs Entscheidung
hast ja recht. Eigentlich wollte ich nicht, dass es so weit kommt, aber …«
»Ich bitte dich. Der Kerl wird nicht lockerlassen. Du hast ihn gehört. Sei vernünftig und stelle endlich einen Antrag auf ein Kontaktverbot. Ich helfe dir dabei.«
»Lass uns das machen, sobald ich aus Charlotte zurückgekommen bin, ja?« Dankbar küsste sie ihn auf die Wange. »Was für ein Glück, dass du eben aufgetaucht bist. Du scheinst einen siebten Sinn dafür zu besitzen, wenn es darum geht, dass ich in Gefahr bin. Wie kommt’s? Ich dachte, du hilfst Jackson mit der Geburt?«
»Wir warten auf Henry Mason. Die kleine Stute schafft es nicht ohne ärztliche Hilfe.« Abermals glitt sein Blick zu dem kleinen Wäldchen, das Shane inzwischen vollends verschluckt hatte. »Und nun mach dich auf den Weg, deine Großmutter erwartet dich. Wir sehen uns in ein paar Tagen.« Abermals schlang er seine Arme um Hannah und drückte sie an sich, vorsichtig darauf bedacht, ihr mit dem Messer nicht zu nahe zu kommen. »Ich werde die Minuten bis zu deiner Rückkehr zählen«, murmelte er in ihr Ohr. »Ich kann es kaum erwarten, zu hören, wie du dich entschieden hast.«
Hannah wusste, worauf er anspielte. Ebenso wusste sie, dass sie einen von beiden enttäuschen würde. Ihn oder Ellie.
*
So cool und beherrscht, wie er sich Hannah gegenüber gegeben hatte, fühlte sich Sam bei Weitem nicht. Sein Brustkorb hob und senkte sich in rascher Folge, als er ihrem Wagen nachblickte, bis er hinter der Biegung im Wald verschwand. Er verfluchte diesen Ehemann von ihr. Hoffentlich zeigte sie ihn diesmal an. Dann hätte dieser Spuk ein für alle Mal ein Ende! Er fand es unerträglich, Angst um sie haben zu müssen. Der Kerl war unberechenbar und das machte ihn in seinen Augen extrem gefährlich. Als er Hannah in Shanes Gewalt vorgefunden hatte, hätte er sich um ein Haar auf den Mann gestürzt und ihm die Fresse poliert. Eine wahre Flut von Adrenalin war durch seine Adern gerauscht und es hatte nicht viel gefehlt, und er hätte sich vergessen. Die Heftigkeit seiner Gefühle überraschte ihn. Er hatte nicht geplant, jemals wieder eine Frau so nah an sich heranzulassen. Diese Ohnmacht, diese schreckliche Hilflosigkeit, diese abgrundtiefe Verzweiflung, die ihn nach Maggies Tod ereilt hatte, wollte er niemals wieder erleben. Seiner Ansicht nach hatte er genug davon gehabt. So viel, dass es für ein ganzes Leben und darüber hinaus reichte. Amors Pfeil hatte ihn getroffen, unverhofft und überraschend, ohne dass er etwas dagegen hatte tun können. Sam hatte sich in Hannah verliebt. In jenem Augenblick, als Shane sie bedrohte, hätte er ohne Zögern sein Leben für sie gegeben. Diese jähe Erkenntnis erschreckte ihn. Sein Magen krampfte sich zusammen, denn im Hintergrund lauerte die Angst, noch einmal einen Menschen zu verlieren, der ihm etwas bedeutete. Und doch wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass sich Hannah für ihn und Green Acres entscheiden würde, auch wenn ihm bewusst war, dass ihr diese Entscheidung nicht leichtfallen würde.
Als eine immer größer werdende Staubwolke die Ankunft eines neuen Wagens ankündigte, machte Sam in Gedanken drei Kreuze. Dieser rostige Pick-up, der soeben aus dem Dunkel des Waldes auftauchte, gehörte Henry Mason. Sam hob zum Gruß die Hand, erleichtert, dass der kompetente Tierarzt ihnen nun bei der Geburt des Fohlens zur Seite stehen würde. Hoffentlich würde es dem Doc gelingen, das Fohlen und seine Mutter zu retten.
*
Sie hatten es sich in der Den gemütlich gemacht, dem nur für die Familie bestimmten kleineren Wohnzimmer, das an das große, repräsentative Zimmer anschloss, in dem üblicherweise Gäste empfangen wurden. Unter dem heimeligen Licht der Stehlampe blätterte Hannah gedankenverloren durch Home & Garden , Ellies Lieblingszeitschrift. Ellie arbeitete vor sich hin summend an ihrem jüngsten Quilt. Zwischen ihnen auf dem runden Couchtisch dampfte blumig duftender Earl Grey in filigranen Porzellantassen. Der Geruch von frisch gebackenen Zimtmuffins hing im Raum. Hannah klappte die Zeitschrift zu und legte sie beiseite. Es gelang ihr nicht, sich zu konzentrieren. Die unausgesprochene Frage, ob sie nun für immer nach Fairview heimgekehrt war, schwebte unbeantwortet im Raum.
»Ich möchte, dass du weißt, dass du auf Fairview House immer willkommen bist. Es ist dein Zuhause.« Ellie schob Quiltnadel samt Garn behutsam durch den geblümten Stoff. »Das Charlotte Memorial sucht immer
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