Hannas Entscheidung
werfen.«
Langsam, aber nachdrücklich schüttelte sie den Kopf.
»Nicht ins Wasser.«
Inzwischen war er bis auf die Boxershorts und die Uhr entkleidet. Er packte Hanna fest an den Schultern. Wenn sie nur die Nerven behielt. »Hanna, wir haben keine Wahl. Vertrau mir, es wird dir nichts passieren. An meiner Uhr ist ein GPS-Empfänger, und die Jungs sind garantiert auf ihrem Weg aufs Meer. Also ...«
Seine ließ seine Hand auf ihren Rücken wandern, zog ihren Reißverschluss auf, schob das Kleid von ihren Schultern und streifte es herab. In anderer Situation hätte er es genossen. So verfluchte er seine männliche Reaktion, als sie in Unterwäsche und halterlosen Strümpfen vor ihm stand.
Sie hörten beide die Schritte und Leben kam in Hanna. Hastig rollte sie die Strümpfe von ihren Beinen und half ihm, die Klamotten über Bord zu werfen. Gemeinsam standen sie an der Reling und der Mut verließ sie, als sie in das schwarze Wasser hinabsah, das an dem schnittigen Boot entlangzischte. Oh Gott, wie schnell fuhr dieses Teil! Urängste und Erinnerungen an das Ertrinken packten und lähmten sie. Ben war über die Reling gestiegen. Bevor sie zurückweichen konnte, schnappte er nach ihr und sprang. Sie schrie, besann sich, holte Luft, gerade rechtzeitig, bevor sie aufs Wasser trafen und untergingen. Sie begann zu strampeln. Ben löste die Umklammerung, hielt sie aber weiter an der Hand fest. Zusammen durchbrachen ihre Köpfe die Wasseroberfläche. Sie schnappte nach Luft, bekam eine Welle Salzwasser in den Mund. Bens Arme umschlangen sie, hielten sie fest. Sein Körper schützte sie vor den Wellen. Ihr Herzschlag beruhigte sich. »Lass mich los, du Wahnsinniger«, fauchte sie.
Sie wusste, sie waren noch nicht in Sicherheit. Was für ein irrsinniger Rettungsplan war das überhaupt, ins Wasser zu springen? Statt erschossen zu werden oder aufgeschlitzt, würden sie jämmerlich ertrinken. Weit und breit nur Schwärze um sie herum, leuchteten entfernt am Horizont ein paar Lichter von New York. Das salzige Wasser bedeutete, dass sie sich im Atlantik befanden. Wie lange würde es dauern, bis man sie fand?
»Kannst du schwimmen?«
»Ja.«
Er ließ sie los, machte die ersten langsamen Züge, und sie folgte ihm.
»Was hast du vor? An Land zu schwimmen?« Immerhin hatte er die Richtung zur Küste eingeschlagen. In Hanna kochten die verschiedensten Gefühle. Wut, Entsetzen, Angst, aber was überwog, war nackter Überlebenswille. Das Wasser war kalt. Eiskalt. In ihrem Kopf begannen sich Fakten abzuspulen: wie lange es dauern würde, bis ihre Körpertemperatur zu weit sank, die Muskeln anfingen, sich zu verkrampfen.
Überleben fing im Kopf an. Also gut. Er wollte zum Land schwimmen, dann würde sie jetzt aufhören, darüber nachzudenken, wie viele Kilometer sie von der Küste trennten, oder sprach man in diesem Fall von Seemeilen? Nicht nachdenken, ermahnte sie sich erneut und konzentrierte sich auf das Schwimmen. Sie machte ihren Körper lang, versuchte einen Rhythmus zu finden, der sie an die Bewegungen des Wassers anpasste und nicht so viel Kraft kostete.
Ben blieb dicht bei Hanna. Er hoffte, dass die Amerikaner inzwischen ihren Arsch in Bewegung gesetzt hatten, um sie aus dem Wasser zu holen. Eine kurze Kontrolle seiner Armbanduhr zeigte ihm, dass ihre Position klar zu identifizieren sein musste. Er war froh, dass Hanna sich aufs Schwimmen konzentrierte und keine Panikattacke bekam, wie er es angesichts ihrer Vorgeschichte befürchtet hatte. Sie legte ein zügiges Tempo vor, und nach einem Kontrollblick zur Jacht, die sich weiterhin entfernte, gewannen sie mehr und mehr Abstand. So leicht würden sie auf dem Meer nicht zu finden sein. Das verschaffte ihnen hoffentlich Zeit genug.
Immer gleichmäßiger schwamm Hanna neben ihm durchs Wasser. Sie nutzte die Gleitphase, kämpfte nicht gegen die Wellen an, hatte etwas Zielgerichtetes, Konzentriertes in ihrer Bewegung. Sie würde nicht aufgeben, sondern um ihr Leben kämpfen. Ben dachte an die Frau, die er aus dem See gefischt hatte. Damals hatte er geglaubt, sie wollte sich das Leben nehmen. Nein, Hanna gehörte nicht zu den Menschen, die sich umbrachten. Sie ehrte das Leben selbst derer, die es nicht wert waren. Diese Schwäche hatte Konstantin Wolff erkannt.
Er war betroffen, weil Hanna mit angesehen hatte, wie er drei Männer tötete. Er hatte keine Wahl gehabt, aber es war auch nichts, woran er einen Gedanken verschwendete. Sein Job bestand darin, zu töten, wenn
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