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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Minimum. Er war froh, dass Paul ihn weiterhin mit den Informationen fütterte, die er brauchte, damit er ruhig schlafen konnte. Die Sicherheit, dass Hannas Tarnung nicht aufgeflogen war. Regelmäßig meldete sie sich bei ihrer Kontaktperson im Zeugenschutzprogramm.
    Mit mehr Aufmerksamkeit startete Ben seine Recherche über Medicare im Internet. Marie Benner – nein falsch, sie hieß inzwischen wieder Ziegler – hatte es geschafft, das Unternehmen aus den negativen Schlagzeilen herauszuholen. Er betrachtete die Fotos eines Pharmaziekongresses in Hamburg, bei dem Marie über die Wichtigkeit einer authentischen und ehrlichen Diskussion mit der Öffentlichkeit referiert hatte. Dafür war sie in dem letzten Dreivierteljahr ein absolutes Musterbeispiel gewesen. Weder hatte sie die Schuld ihres Mannes am Tod ihrer Schwester noch ihre eigene Tablettenabhängigkeit unter den Tisch gekehrt. Anfänglich hatte sich die Presse auf sie gestürzt wie die Geier auf Aas. Nach und nach war jedoch die Polemik einem sachlichen Diskurs über Burn-out gewichen, dem immer mehr Menschen unterlagen. Marie avancierte von der gefallenen Frau zu einem Vorbild. Sie zeigte, wie Menschen aus Fehlern lernen und einen gesunden Weg finden konnten, mit Stress umzugehen. Er musste zugeben, dass sie in den letzten Monaten auch seine Achtung gewonnen hatte. Sie hatte an Gewicht zugelegt, ihre Haare glänzten in einer schwarzen Schattierung, die ins Rötliche ging, und die dunklen Ringe unter ihren Augen waren verschwunden. Das Lächeln, nicht mehr so strahlend, wie er es in Erinnerung hatte, endete unterhalb ihrer Augen. Es hatte Momente gegeben, wo er versucht gewesen war, ihr die Wahrheit zu sagen. Dass ihre Schwester noch lebte. Vor allem, als er beobachtete, wie sie zu Hannas Grab ging und dort eine weiße Rose hinlegte. Wenn sie Hanna nur annähernd so liebte wie er Lisa – er schob den Gedanken beiseite. Sie war nicht zu dem Treffen mit ihrer Schwester erschienen. Dass sie aufgrund einer Mischung aus Tabletten und Alkohol dazu nicht in der Lage gewesen war, entschuldigte ihr Verhalten in seinen Augen nicht. Niemand konnte Ben erzählen, dass eine Frau nach neun Jahren Ehe mit einem Mann nicht wusste, wen sie geheiratet hatte.
    Das BKA hatte sich bei der Überwachung der Benners dämlich angestellt. Niemand hatte Maries Fahrzeug überwacht, nachdem ein Angestellter von Medicare es in die Werkstatt gegeben hatte. Genauso wenig wurde bemerkt, dass sich Lukas Benner einen kleinen Polo aus dem Medicare-Fuhrpark nahm, um sich das Auto seiner Frau zu holen. So war der ganze Transfer nachher auch wieder umgekehrt gelaufen. Lukas Benner kam pünktlich um sieben zu seiner Verabredung mit Philip Bornstedt, während auf der anderen Seite von Berlin eine Hütte in Flammen stand und bis auf den Grund abbrannte. Philip Bornstedt war noch so ein Fall. Sie hatten ihm nicht nachweisen können, dass er in die Sache verwickelt war. Tatsächlich gab es außer Ben niemanden, der diesen Verdacht hegte. Am liebsten hätte er dem Typen den Trojaner untergejubelt und ihn so lange beobachtet, bis er seine Beweise hatte. Doch er war an die Gesetze gebunden. Von Viktor Samuels fehlte noch immer jede Spur. Ben war sicher, dass Hanna ihn zu finden wüsste. Genauso, wie sie ihm etwas verheimlichte, was die Hintergründe des Überfalls in Afrika betraf. Aber weder er noch Oberst Hartmann konnte dieses Gefühl mit Fakten untermauern. Vertraute er ihrer Entscheidung, ihm nicht alles zu erzählen, wirklich? Selbst die Korrespondenz zwischen Marie und Dr. Frederike Schneider gab keinen weiteren Aufschluss über irgendetwas. Neben den Berichten gab es zwei persönlichere E-Mails von Dr. Schneider, die eine von Maries Besuch in Afrika, die andere vom Tod der kleinen Ifeschi, der letztlich Auslöser für den Angriff auf das Dorf gewesen war.
    Es gibt Schönheit mitten im Leiden, Freude in der Trauer, Hoffnung in der Verzweiflung und neues Leben sogar im Tod.
    Er wurde das Gefühl nicht los, dass in diesem Zitat einer nigerianischen Weisheit etwas steckte, was sie alle nicht verstanden.
    Genug gegrübelt, ermahnte er sich selbst und klappte den Laptop zu. Er stand auf, holte sich sein Sport-T-Shirt, eine Jogginghose und eine Matte, zog sich um und begann mit seinem Training. Er sparte Übungen aus, die seine Verletzung zu sehr belasteten. Lisa bemerkte er erst, als sie direkt vor ihm stand, so konzentriert quälte er sich. Statt aufzuhören, fuhr er mit dem Muskelaufbau fort. Nicht

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