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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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seine Tasche ab, setzte sich neben seine Frau auf die Couch und legte seine Hand auf ihren Bauch. »Na, mein kleiner Racker, hast du Mama heute den ganzen Tag auf Trab gehalten?«
    »Hat es nicht, es war ganz lieb, nur jetzt tobt es rum.«
    Ben stand auf und ließ die werdenden Eltern allein. Es gab in ihrem Alltag wenig Zeit für Zweisamkeit, und er wollte diese kostbaren Momente nicht mit seiner Anwesenheit stören. In der Küche prüfte er im Vorratsschrank und im Kühlschrank, ob alles für Kartoffelpuffer vorrätig war. Er fing an, Kartoffeln zu schälen.
     
    Ben klappte seinen Laptop hoch und schaltete ihn ein. Hier in seiner eigenen Wohnung, die sich im dritten Stock von Toms Haus befand, konnte er sich auf seine Arbeit konzentrieren. Die letzte Woche hatte ihn emotional ausgebrannt. Seine Gefühle für Hanna hatte er tief in sich vergraben. Bei seiner Schwester konnte er seiner Liebe freien Lauf lassen. Er bemerkte, dass er in Lisas Nähe jede ihrer Regungen im Auge behielt. Als er am Samstag an einer Kirche vorbeigekommen war, war er spontan hineingegangen. Gerade steckte eine alte Frau Münzen in einen Opferstock, nahm sich Kerzen und zündete sie vor dem Altar von Maria an. Sie setzte sich, faltete die Hände und bewegte die Lippen in einem stummen Gebet. Nachdem sie gegangen war und er sich allein in der Kirche befand, folgte er ihrem Beispiel. Ohne Erfahrung mit Gebeten hatte er nur stumm im Kopf die Worte wiederholt: »Bitte lass sie das Kind bekommen, bitte.« Er kam sich dabei albern vor. Der Geruch von Weihrauch hing in der Luft, die Kühle in der Kirche, dieses fein modellierte Gesicht der Madonnenfigur. Er erinnerte sich an Hannas Zeichnung der Maria mit ihrem toten Sohn in den Armen. Abrupt stand er auf. Ein Gott, der seinen eigenen Sohn einem so grausamen Tod aussetzte, würde seine Bitte nicht erhören. Mit fünfunddreißig Jahren gehörte Elisabeth als Erstgebärende einer Risikogruppe an, umso mehr, als sie vorher die drei Fehlgeburten gehabt hatte. Wenn Tom Lisa zärtlich über den Bauch strich, ihre Wange streichelte oder sie küsste, gab es Ben ein Stich. Er gönnte Lisa ihr Glück, aber gleichzeitig fiel es ihm schwer, dass er nicht mehr der wichtigste Mann in ihrem Leben war. Vielleicht gluckte er deshalb so um sie herum, wenn Tom nicht in der Nähe war.
    Ben streckte sich und zog sein T-Shirt über den Kopf. Die Wunde juckte. Ein gutes Zeichen. Seit Lisa vorgestern die Fäden gezogen hatte, spannte die Haut nicht mehr so wie am Anfang. Er nahm die Creme vom Couchtisch und pflegte seine Haut rund um das Pflaster. Das war genauso albern wie sein Beten, aber es gab ihm das Gefühl, den Heilungsprozess zu beschleunigen. Inzwischen war sein Rechner hochgefahren. Er tippte das Passwort und loggte sich in das System des KSK ein.
    Zu der Zeit der Beerdigung von Dirk Richter und Ralf Mader schwebte er noch zwischen Leben und Tod. Für das Wochenende hatte er sich vorgenommen, ihrer Gräber zu besuchen. Dirk Richter war von seinen Angehörigen in einem Friedenswald beerdigt worden. Außer einer Gedenktafel an einem Baum würde nichts an den jungen Mann erinnern. Ben versuchte, seine dunklen Gedanken wegzuschieben. Stattdessen öffnete er die Berichte zu den bisherigen Erkenntnissen ihres Einsatzes. Sie waren für einen Nahkampf nicht ausgerüstet gewesen. Ihre Schutzwesten waren kugelsicher, aber einer Messerattacke gegenüber boten sie keinen adäquaten Schutz. Er las, dass Oberst Hartmann für künftige Einsätze darauf bestand, dass seine Männer mit den teureren Westen ausgerüstet werden sollten, die sowohl kugelsicher waren als auch gegen Messerangriffe Schutz boten. Dieser Forderung folgte eine ganze Reihe von E-Mails, deren Inhalt sich Ben ersparte. Er hatte die Nase voll von Wichtigtuern, die mit ihrem fetten Hintern in ihrem Büro saßen und über Risiken diskutierten, denen sie niemals ausgesetzt waren. Stattdessen wandte er sich einem Postfach zu, das er unter einer öffentlichen E-Mail-Adresse pflegte.
    »Wie ist das Wetter bei Euch?«
    Eine halbe Stunde später, in der er nur halbherzig die politischen Blogs der bekanntesten Zeitschriften nach Vorkommnissen in Afrika gescannt hatte, bekam er eine Antwort.
    »Sonnig, wie immer.«
    Erleichtert atmete er auf.
    Paul hatte eine Standpauke von Oberst Hartmann erhalten, aber in seiner Akte war keine Übertretung von Vorschriften eingetragen. Wenigstens brauchte Ben sein Gewissen damit nicht belasten. Ihr Austausch belief sich auf ein

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