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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Bilder geht – so etwas brauche ich.«
    »Es steckt nicht zufällig noch eine andere Absicht dahinter?« Jetzt war es heraus. Im Bruchteil einer Sekunde huschten die Bilder wie eine rasante Diashow an ihrem inneren Auge vorbei: Ben, Hartmann, die Verhandlung, ihre neuen Papiere – Afrika ... Sie sah ihn immer noch direkt an. Eine feine Röte zog sich jetzt über sein Gesicht. Er hatte den Becher abgestellt, hob die Hand und kratzte sich am Kinn.
    »Sie wollen mir doch nichts unterstellen?«
    Hanna spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. »Nein, nein ...« Sie wandte ihr Gesicht ab und musterte konzentriert ihre Turnschuhe. Himmel, was hatte sie denn erwartet?
    Professor Bartoli räusperte sich. »Sie haben etwas durchaus Anziehendes an sich, Frau Schmidt, aber ich bin lange aus dem Alter heraus, mich in amouröse Abenteuer zu stürzen. Ihr klarer, wacher Verstand und Ihr scharfer Blick für Details sind mir bereits bei ihrer Projektarbeit aufgefallen. Darum wollte ich Sie dabei haben. In den letzten vier Wochen haben Sie meine in Sie gesetzten Erwartungen weit übertroffen, weshalb ich Ihnen gern eine feste Stelle an meinem Institut anbieten möchte.«
    Überrascht hob Hanna den Kopf und sah in die dunklen Augen des Professors, der sie mit einem Schmunzeln betrachtete.
    »Eine feste Anstellung? Nicht nur eine Verlängerung? Aber ...«
    Er hob die Hand. »Natürlich nicht zu dem Hungerlohn, für den Sie jetzt noch arbeiten.«
    »Aber ...«
    »Natürlich bekommen Sie Zeit, damit Sie ihr Fernstudium beenden können. Aber Sie werden sehen, mein Institut bietet Ihnen Zugang zu reichlichem Anschauungsmaterial für Ihr Studium.«
    Hanna atmete tief ein, versuchte ihre Gedanken zu sortieren. Kurz zuvor war ihr ein absurder Verdacht gekommen, dass ihr Aufenthalt in Rom nicht ganz zufällig zustande gekommen war. Ben hatte ihr nicht gesagt, weshalb er hier war, doch sein Erscheinen hatte sie daran erinnert, dass nichts im Leben einfach so geschah. Nun bot ihr der Professor diese Stelle an. Es wäre ein echter Neuanfang, eine Zukunft, ein neues Leben, das sie ausfüllen würde. Sie gestattete sich das Gefühl von Freude und schenkte dem Professor ein zaghaftes Lächeln.
    »Lassen Sie das erst mal sacken, Sie brauchen das nicht heute Abend entscheiden.« Er kniff ihr ein Auge. »Noch kennen Sie nicht das Beste an dem Angebot.«
    Hanna lachte. »Sie meinen den Zugang zu dem nicht öffentlichen Teil des Vatikanmuseums?«
    Bartolis Mund klappte auf. Mit großen Augen musterte er sie. »Woher ...?«
    Sie grinste. »Ich habe so meine eigenen Quellen. Ich wollte wissen, was mich bei dem Projekt erwartet.«
    Er betrachtete sie aufmerksam. »Ja, ganz offensichtlich.«
    »Hey, Sie beide reden doch nicht etwa an einem Freitagabend über die Arbeit?«, unterbrach sie Sonjas empörte Stimme.
    Wie diese kleine Person es schaffte, Bartoli, sie und den Rest der Gruppe zu überreden, den Refrain eines italienischen Schlagers zu singen, war Hanna am Ende des Abends ein Rätsel.
     
    Professor Bartoli versicherte sich erst, dass Hanna ein Taxi zu ihrer Pension nehmen würde, bevor er sie gehen ließ. Davon war sie natürlich weit entfernt. Ihr Budget hatte sich nach Bens Besuch noch nicht wieder erholt. Der Weg betrug nicht einmal drei Kilometer und führte sie auf Wegen, die an einem Freitagabend gut besucht waren. Sie ging in Richtung Piazza di Sant‘Apollonia, bog rechts auf die Via della Lungaretta ein. Den Tiber überquerte sie über die Ponte Garibaldi, um dem Lauf der Via Arenula zu folgen, die auf dem Weg zum Pantheon dreimal den Namen änderte. Sie blieb einen Moment vor dem beleuchteten Pantheon stehen, einem Gebäude, das den römischen Gottheiten geweiht war und inzwischen ebenfalls ein reichhaltig ausgestattetes Museum beherbergte. Sie überquerte die Piazza della Rotonda und bog in die Via dei Pastini ein. Im Gegensatz zu ihrem bisherigen Weg herrschte hier Stille. Die Gasse war schmal, würde in die Via delle Muratte führen und sich erst am Fontana di Trevi wieder öffnen. Hanna beschleunigte ihre Schritte. Aufmerksam betrachtete sie die Schatten in der Gasse. Das Gefühl überfiel sie in der Via Pietra, an der Ecke, wo rechts die Vicolo dé Burró abzweigte. Sie spürte es. Jemand lauerte in der Dunkelheit auf sie. Dann sah sie ihn. Der Mann trat aus dem Eingang eines Hauses hervor, und wie aus dem Nichts tauchten zwei weitere Männer in der Gasse auf. Gleichzeitig hörte sie von hinten Schritte näherkommen. Es lag an

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