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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Schreibtisch hoch.
    Ben folgte ihm zu einem Tisch im Raum, auf dessen weißer Oberfläche sich eine Karte widerspiegelte, von einem Projektor projiziert, der über dem Tisch an der Decke hing. Der Oberst nahm ein Steuerungsgerät in die Hand.
    »Hier ist die Förderstation der Pipeline mit den Bürogebäuden, wo sich angeblich die Geiseln aufhielten.«
    Er drückte auf einen Knopf, und eine Animation ihres Einsatzes wurde auf der Fläche abgespielt. Die Stellen, wo Leutnant Dirk Richter und Oberleutnant Ralf Mader gestorben waren, blinkten mit Zeitangaben auf. Ben versuchte sich auf die Karte zu konzentrieren, sich nicht von dem Film, der sich in seinem Kopf abzuspielen drohte, seine Neutralität nehmen zu lassen. Wenn er seinen Beitrag zur Aufklärung der Todesfälle leisten wollte, musste er Distanz zwischen seine Gefühle und die Ereignisse bringen. Der schnellen Reaktion von Leutnant Brunner, die den Rückzug angeordnet hatte, verdankten sie es, dass der Rest von ihnen heil herausgekommen war – der Grund für ihre Beförderung zum Oberleutnant. Der Oberst spielte die Animation mehrmals ab, und sie diskutierten die strategischen Fehler, die Angriffe der Männer, die auf sie gewartet hatten.
    Nach dem dritten Abspielen konnte sich Ben des Eindrucks nicht erwehren, dass die Gegner über ihr Vorgehen genau Bescheid gewusst hatten. »Was ist am Ende mit den Geiseln passiert?« Bisher hatte er vermieden, diese Frage zu stellen, und niemand hatte sich genötigt gesehen, ihn darüber zu informieren.
    »Tot.«
    »Alle?«
    »Ja.«
    »Das ist völlig sinnlos.« Ben rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich meine, nicht dass ich eine Geiselnahme als sinnvoll empfinde, aber wieso haben sie alle umgebracht, nachdem unser Einsatz gescheitert war? Ihre Verhandlungsbasis hätte sich doch verbessert, oder?«
    »Was, wenn es um etwas anderes ging?«
    Der Oberst verschränkte die Arme und betrachtete Ben nachdenklich.
    »Nämlich?«
    »Uns.«
    »Uns?«
    »Ja. Jemand hat es auf uns abgesehen.«
    Verwirrt schüttelte Ben den Kopf. »Ist das nicht ziemlich weit hergeholt? Jemand inszeniert eine Geiselnahme, nur um uns eine Falle zu stellen? Warum dann kein direkter Angriff?«
    »Weil es so nicht wie ein direkter Angriff aussieht. Weil es sich so als ein missglückter Einsatz tarnen lässt. Weil man so keine ungewollte Aufmerksamkeit erregt.«
    »Durch eine Geiselnahme zieht man aber Aufmerksamkeit auf sich, das ist der Zweck.«
    »Und warum wurden dann die Geiseln getötet? Ich meine, ohne irgendeinen Versuch, die Regierung zu kontaktieren?«
    »Lassen Sie das Ganze noch mal ablaufen.« Ben öffnete sich seinen subjektiven Eindrücken. Sie hatten für den Einsatz drei Punkte ausgewählt, die ihnen am strategisch sinnvollsten erschienen waren. Natürlich hatten sie mit Widerstand gerechnet, aber nicht damit, dass man sie einkesseln und kurzfristig völlig von den anderen Einheiten trennen würde. Er schüttelte den Kopf. Oberst Hartmann hatte recht. Es war, als hätte jemand ihre geplante Vorgehensweise genau gekannt. Und nicht nur das. Der Angriff war gezielt auf ihren Zugriffspunkt hin erfolgt. »Weder die Amerikaner noch die Briten hatten irgendwelchen größeren Widerstand zu überwinden.«
    »Und die zehn Geiseln der British Oil Company wurden mit sauberen Kopfschüssen getötet, noch bevor der Einsatz losging«, merkte Hartmann an.
    »Was sagt der Stab?«
    »Dass wir Pech gehabt hätten.«
    Ben zog die Augenbrauen hoch und sah Oberst Hartmann an. Der machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sinngemäß. Es gab Kritiker, die meinten, wir hätten die Region nicht gründlich genug abgesichert. Aber das sagen sie immer. Schlauberger, die am Ende alles besser wissen. Ich frage mich nur, wo die sind, wenn wir den Einsatz planen oder wenn alles geklappt hat.«
    »Sie denken die FoEI, steckt dahinter?«
    Oberst Hartmann kratzte sich am Kopf. Er holte tief Luft, öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne etwas zu sagen. Die Arme hinter dem Rücken verschränkt ging er auf das Fenster zu und blieb dort stehen.
    Ben wartete.
    »Wir haben ihm ein Angebot gemacht.«
    Ben verschränkte die Arme vor der Brust, stemmt seine Füße in den Boden. Wütend presste er die Lippen aufeinander. Das konnte jetzt nicht wahr sein. Hartmann wendete kurz seinen Kopf, warf ihm einen Blick zu. »Glauben Sie mir,das passt mir genauso wenig wie Ihnen.«
    »Was für einen Sinn hat es, Verbrecher für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen, wenn wir ihnen kurze

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