Hannas Wahrheit (German Edition)
Schätzchen her.“
Er nahm ihr MacBook mit in sein Arbeitszimmer. Sie fing an, ein Omelett zu braten. Bald durchzog der Duft von gebratenen Eiern, Zwiebeln, Champignons, Tomaten, Paprika und Käse die Wohnung. Sie war gerade fertig, als Viktor mit schnuppernder Nase in der Küchentür erschien.
„Mhm, mir knurrt der Magen. Können wir essen?“
„Bist du fertig?“
„Jepp.“
„Und?“
„Nichts.“
Ungläubig sah sie ihn an. „Sicher?“
„Hundert pro“, er grinste. „Du warst einfach zu langweilig. Ich habe dir schon oft gesagt, wenn du einen Mann halten willst, dann musst du mehr reden.“
Sie verzog das Gesicht und überlegte kurz, ob sie ihm den Pfannenwender auf den Kopf hauen sollte.
„Und was tut sich an der Männerfront?“, neckte ihr Freund sie. Sie war so leichtsinnig gewesen, ihm von Philip zu erzählen. Es gab einfach keinen Menschen außer Marie, mit dem sie über solche Dinge reden konnte. Marie war in Bezug auf Philip ausgefallen, denn sie kannte die Meinung ihrer Schwester nur zu gut. Mit Viktor war es anders. Auch wenn sie ihm nie erzählt hatte, was genau in ihrer Vergangenheit passiert war, so wusste oder ahnte er genug.
Sie zuckte mit den Achseln.
„Weißt du, Hanna, irgendwann musst du den Mut aufbringen, jemanden wieder in dein Leben einzulassen.“
„So wie du?“
Er lachte. „Wenigstens bin ich nicht abstinent. Außerdem bemühe ich mich nur, die Richtige zu finden, da muss man halt ein bisschen probieren.“
„Und?“
Ein Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus, das an Tiefe gewann. Seine Augen fingen an zu leuchten. Mit der Gabel stocherte er auf seinem Omelett herum. Sie schluckte und starrte ihn an.
„Wer?“
Diesmal zuckte er mit den Achseln. „Ist noch nichts Konkretes.“
„Wer!“
„Vergiss es, du bekommst kein Wort mehr aus mir heraus. Außerdem lenkst du gerade ab. Also, was ist mit Philip? Hast du dich wenigstens einmal in der ganzen Zeit bei ihm gemeldet?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Also ehrlich. Da findet dich endlich mal ein netter Typ, der dich respektiert und dir ganz altmodisch den Hof macht. Jemand, der dich ausführt und zum Essen einlädt. Einer, der sich nicht von deinen vielen Worten abschrecken lässt“, die Ironie troff nur so aus seinen Worten, „sondern beharrlich und geduldig ist. Und was machst du? Lässt den armen Tropf am ausgestreckten Arm verhungern.“
„Sein Problem.“
„Ja, also wirklich. Warum verliebt sich dieser blöde Kerl auch ausgerechnet in dich. Vermutlich ging es ihm gerade zu gut, und das ganze Leben war ihm zu langweilig. Also sah er sich um und entdeckte dich. Die beste Art, sich selbst zu quälen.“
Sie legte ihre Gabel beiseite. Ihr war der Appetit vergangen. Ärgerlich runzelte sie die Stirn. Ihm den Pfannenwender über den Kopf zu hauen, wäre doch angebracht gewesen. Aber jetzt war es zu spät.
„Hui, deine Augen beginnen sich wieder zu färben, das sieht echt gefährlich aus. Kennt Philip das auch schon?“
Sie wusste, dass sie damit anderen Menschen durchaus Angst einjagte, aber Viktor Samuels beeindruckte das nicht. Er kannte sie einfach zu gut. Sie stand auf, suchte ihre Sachen zusammen.
„Dann sei wenigstens so fair und schenk dem Mann reinen Wein ein und schür nicht noch seine Hoffnung, indem du mit ihm ausgehst.“
Sie warf ihm einen letzten vernichtenden Blick zu und verschwand ohne jedes weitere Wort aus seiner Wohnung.
Sie löffelte ihr Müsli, während sie die Bilder für die neue Ausstellung sortierte. Sie hatte sich nach einem Gespräch mit Kati Merz entschieden, das Projekt zu machen. Kati Merz organisierte die Ausstellung „Das Gesicht von HIV“. Sie war erst vor kurzem in den Bundesvorstand der Deutschen AIDS-Hilfe gewählt worden und eine Bekannte von Hannas Mutter. Bei einem Fest waren Katie Merz und Marie ins Gespräch gekommen, so entstand die Idee zu der Ausstellung. Im Vordergrund standen die betroffenen Menschen und wie sich ihr Leben nach der Diagnose veränderte. Außerdem sollte die Aktion eine Nähe und einen Bezug zu den Betroffenen herstellen. Kati Merz hatte ein altes Fabrikgebäude gemietet, dort sollten die Wände mit großen Postern von infizierten Menschen behangen werden. Während einer ganzen Woche würden in der Fabrik verschiedene Events stattfinden, deren Einnahmen der deutschen Aids-Hilfe zugute kamen. Die Idee hatte Hanna zu dem Projekt beigesteuert.
Für jedes Event gab es Sponsoren, auch das Unternehmen ihres Stiefvaters
Weitere Kostenlose Bücher