Hannas Wahrheit (German Edition)
ging sie durch ihre kleine Wohnung, misstrauisch sah sie sich um. Es gab nichts, was ihr auffällig erschien. Sie betrachtete ihre Collagen, versuchte, eine Veränderung zu sehen. Nichts. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, schloss die Augen, zog eine Schublade auf und holte blind ihr Notizbuch heraus. Es lag exakt an seinem Platz. Sie ging ein weiteres Mal durch ihre Wohnung und versuchte zu verstehen, was es war, das sie verunsicherte. War es nur die Tatsache, dass schon einmal jemand unerlaubt in ihrer Wohnung gewesen war? Oder war es das seltsame Gefühl, überhaupt wieder in einer Wohnung zu sein, statt in der Natur? Nein, es liegt an dem Geruch, sagte ihre innere Stimme, irgendetwas riecht anders. Sie hob schnüffelnd ihre Nase, kam an einem Spiegel vorbei, sah sich und brach in Lachen aus. Es war kein fröhliches Lachen, fast grenzte es an Hysterie. Kaum war sie hier, sah sie überall Gespenster. Schließlich beruhigte sie sich. Sie würde sofort aufhören, sich so albern zu benehmen.
Sie setzte sich in ihren Sessel, holte ihr MacBook heraus und schaltete es an. Viktor hatte ihr ein Programm aufgespielt, das die Aktivitäten des Trojaners aufzeichnete. Es war unglaublich, wie viele Daten und Querverbindungen dieser dämliche Trojaner aus ihren reduzierten Internetaktivitäten herausgefiltert hatte. Die Unschuld, mit der sie sich bisher im Internet bewegt hatte, war einer Vorsicht gewichen, seit sie wusste, wie viele Spuren sie hinterlassen konnte. Zum Glück war ihr Gewissen rein, und der Gedanke, was für einen unglaublich langweiligen Job ihre Beobachter zu verrichten hatten, rief ein Lächeln auf ihre Lippen. Es lag an ihr, wie sie mit dieser Situation umging, und sie entschied sich, es ab sofort wieder locker zu nehmen.
Sie öffnete Programme und stellte eine Verbindung zum Internet her, das erste Mal seit Wochen. Dann rief sie einige Webseiten auf. Doch egal, was sie auf ihrem System machte, das Überwachungsprogramm von Viktor zeigte nichts an. Sie runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass sich dieser Trojaner von selbst lahm gelegt hatte? Sie schüttelte den Kopf. Sollte sie nicht froh sein, dass der ganze Spuk tatsächlich vorbei war? Aber irgendetwas in ihr glaubte nicht dran, dass es zu Ende war.
Hanna starrte auf ihre Fingernägel, unter denen sich noch der Schmutz von Alaska befand. Sie roch unter ihre Achseln und verzog die Nase. Es gab nur eines, was hier stank, und das war sie. Ein heißes Bad war jetzt genau das, was sie brauchte. Der Dreck von den letzten Wochen steckte tief in ihrer Haut.
Langsam entspannte sie sich in dem heißen Wasser, und ihre Beklemmungen wichen. Sauber und aufgewärmt kuschelte sie sich danach in ihr Bett und schlief ein. Auf einer Reise machte es ihr überhaupt nichts aus, auf dem Boden zu schlafen, trotzdem war es immer ein Genuss, danach wieder in ihrem Bett zu schlafen.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, brauchte sie einen Augenblick, um sich zu orientieren. Verwirrt richtete sie sich auf. Ihr Traum war so lebhaft gewesen, stöhnend verbarg sie ihr verschwitztes Gesicht in den Händen. Dann ließ sie sich zurück ins Bett fallen, fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen Haare und verstrubbelte alles. Nicht zum ersten Mal hatte sie von der Nacht in Nairobi geträumt, doch noch nie war das Gefühl so echt gewesen. Noch immer konnte sie die Wärme fühlen, die seine Hände beim Wandern über ihren Körper hinterlassen hatten.
Ärgerlich sprang sie aus dem Bett, das völlig durchwühlt war. Arbeit war jetzt das, was sie brauchte, um sich von ihren unerwünschten Erinnerungen abzulenken. Aber zuerst würde sie einkaufen und abends bei Viktor vorbeisehen. Sie wollte ganz sicher sein, dass ihr Laptop wieder sauber war.
Wie immer war seine Bude das reine Chaos. Also schaffte sie Ordnung, während sie darauf wartete, dass er nach Hause kam. Auf dem Weg zu ihm war sie kurz in einem Internetcafé gewesen und hatte ihm eine Nachricht über eines ihrer vielen Postfächer zugesandt.
Als Viktor auftauchte, war es schon spät. Er sah müde aus.
„Na, willst du ihn jetzt doch runterhaben?“, spöttelte er und boxte sie in den Arm. Er verzog das Gesicht. „Hast du Bilder geschossen oder mit Bären gerungen?“
Sie grinste. „Beides.“
„Ich finde Frauen schöner, die keine Muskeln haben, sondern einen femininen Bauch vor sich hertragen.“
„Und ich mag Männer, die handeln, statt ständig zu reden.“
„Au, das tat weh. Na denn, gib mal dein
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