Hannes - Falk, R: Hannes
die Posaune ins Vogelnest mitgenommen. Für das Weckmanöver. Ich fürchte, das war irgendwie nicht richtig durchdacht von mir. Der Plan, die Insassen aus den Federn zu blasen, hat einwandfrei funktioniert. Klar, es war ja was Neues, und so viel Neues passiert hier eben nun mal nicht. Also sind alle brav und getrieben von einer unstillbaren Neugier aus den Zimmern gekommen, und das Frühstück konnte glatte zwanzig Minuten eher stattfinden. Leider kleben nun aber ständig irgendwelche Leute an meinen Ellbogen, die mich bitten, noch einmal zu spielen. Was wiederum eher nervt. Ich hoffe, das beruhigt sich wieder.
Ach ja, was ich unbedingt noch erzählen muss, ist, dass ich jetzt herausgefunden hab, warum die Psycho-Redlich so süßsäuerlich riecht. Hab nämlich letzte Nacht mal ihr Fach im Gemeinschaftsraum unter die Lupe genommen. Hab aber nix angefasst, ich schwör’s. Ich hab nur ganz gezielt nach einem Parfümfläschchen oder Ähnlichem geschaut, und siehe da – bin fündig geworden. Nämlich befindet sich diese süßsäuerliche Substanz in einem rosa Flakon mit der Aufschrift »Wildrose – Jean Moragne«. Habe es nach nur einem einzigen Sprühversuch klar identifizieren können. Es riecht nicht aufdringlich, eher zurückhaltend, wie ein stiller Beobachter imEck, und deshalb wohl gerade unangenehm. Wildrose süßsauer, Wildrosenessig. Na, egal.
So, mein Freund, das war die Berichterstattung der letzten Tage, mehr ist nicht passiert. Wird auch langsam Zeit für mich, meine Runde zu drehen, und dann muss ich auch schon in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Werde morgen vor dem Dienst bei dir vorbeischauen, bis dahin.
Freitag, 14.04.
Du, Hannes, du glaubst nicht, was heute Nachmittag passiert ist. Hab leider auch nur die Hälfte mitbekommen, war zu spät dran und habe wohl das Beste verpasst. Der Kalle und der Rick haben mir aber hinterher alles haarklein erzählt, und nun geb ich’s eben an dich weiter. Es ist irre. Na, jedenfalls waren der Kalle und der Rick heute grad auf dem Weg zu dir und haben schon vom Krankenhausflur aus gesehen, dass deine Zimmertür weit aufsteht und ein ganzer Pulk von weißen Kitteln um dich rum steht. Die zwei haben natürlich gleich einen Riesenschrecken gekriegt, weil sie geglaubt haben, dass weiß Gott was passiert sei mit dir. Wie sich aber schnell herausstellte, hat sich der Dr. Schnauzbart nur mit einigen seiner Studenten um dein Bett versammelt, um deinen ja nicht gerade gewöhnlichen Fall zu präsentieren. Der Kalle und der Rick haben artig im Gang gewartet und natürlich penibel drauf geachtet, was der Schnauzbart mit seinen Lakaien da drinnen alles so durchhechelt.
Als sich der Konvoi schließlich aus deinem Zimmer bewegthat, sagte einer der Studenten zu ’nem anderen: »Eigentlich ist der doch schon längst tot, nur stinkt er halt noch nicht.«
Das war ein böser Fehler! Der Rick hat seine Faust ausgefahren und hat sie mitten in die Fresse von diesem Arsch gedroschen. Der wiederum hat sich das natürlich nicht gefallen lassen. Nicht gefallen lassen können, schließlich waren ja Leute im Publikum, vor denen er sein Gesicht wahren muss. Und so entstand im Handumdrehen eine feine Rauferei, die mir leider entgangen ist. Ich bin erst dazugestoßen, als sich der Rick und der Kalle schon vor dem Krankenhauseingang befanden und der Kalle den Rick immer daran hindern musste, wieder hineinzugehen, weil der dachte, er sei noch nicht fertig mit dem Typen. Noch lange nicht. Der Kalle hat mir eben diese Vorfälle erzählt, und dass der Rick nun Hausverbot hätte. Und der Rick hat nur an den Nägeln gekaut.
Jetzt kam ich auf den Plan. Ich bin direkt ohne Umwege zum Büro vom Dr. Schnauzbart, hab die Tür aufgerissen und ihn schließlich dort angetroffen. Er war in einen Stapel Unterlagen vertieft und sah dann über seine fassungslose Lesebrille hinweg in mein Gesicht. Nach einem »Was erlauben Sie sich eigentlich …« seinerseits hab ich dann das Wort ergriffen. Habe ihn erst mal darauf hingewiesen, dass wir nicht schwul sind. Weder du noch ich. Keiner von uns beiden. Und was die blöde Frage von neulich eigentlich sollte. Außerdem ginge ihn das sowieso einen echten Scheißdreck an, ob wir schwul wären oder nicht. Habe keine Antwort abgewartet, sondern gleich weitergedonnert, was er für unsensible und unqualifizierte Trampel in seiner Crew hätte und dass ich, wenn ich mit solchen Leuten zusammenarbeitenmüsste, das Kotzen kriegen würde.
Weitere Kostenlose Bücher