Hannes - Falk, R: Hannes
Und dass er lieber, bevor er versucht, diesen Idioten etwas beizubringen, mal daran arbeiten sollte, dich wieder ins Leben zurückzuholen. Das würde wenigstens Sinn machen. So ging das eine ganze Weile, und ich vermute, ich hab kein Schimpfwort ausgelassen. Abschließend hab ich ihm noch gesagt, er soll umgehend das Hausverbot für den Rick zurücknehmen, sonst würd ich ihm seine blöde Klinik abfackeln. Er hat die ganze Zeit nix gesagt. Ist nur hinter seinem riesigen Schreibtisch gesessen, hat über den Brillenrand geschaut, an seinem Bart gezwirbelt und mich toben lassen. Als mir schließlich nichts mehr einfiel, ist er aufgestanden, hat mich mit einer ganz ruhigen Armbewegung Richtung Tür gewiesen und gesagt: »Das Hausverbot für Ihren Freund bleibt bestehen. Ich bürge hier sowohl für meine Patienten als auch für meine Mitarbeiter, und ein Risiko, egal aus welchen Emotionen heraus, kann ich mir nicht leisten. Was Ihre freche Person angeht, werde ich ein Hausverbot noch überdenken, Sie haben sich eben benommen wie die Axt im Walde. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe nun zu tun, den einen oder anderen ins Leben zurückzuholen.«
Und schon stand ich draußen. Bin dann noch kurz runter zu dem Kalle und dem Rick, um Bericht zu erstatten. Leider hab ich’s nicht mehr zu dir geschafft, bin eh zu spät ins Vogelnest gekommen. Morgen komme ich bestimmt.
Ach ja, habe übrigens heute vor dem Krankenhauseingang die Walrika und den Florian (der Neue) getroffen. Gerade als wir den Rick davon abgehalten haben, wieder reinzugehen, kamen die beiden strammen Schrittes vom Parkplatz herauf und auf den Eingang zu. Die Walrika hat mir später auf demBalkon erzählt, die Großmutter des Jungen liege im Sterben. Na ja. Jedenfalls war ich jetzt noch bei der Frau Stemmerle (es ist wieder halb drei, sie hat offensichtlich eine innere Uhr). Wir haben eine Zeit lang mit Jasmin geplaudert, und ich habe der Psycho-Redlich in Gedanken einen Stinkefinger geschickt. Stinkefinger an Wildrosenessig!
Samstag, 22.04.
Hallo Hannes,
habe jetzt eine Woche nix geschrieben, war aber dafür außer Mittwoch jeden Tag bei dir. Bin auch einige Male dem Schnauzbart begegnet, der hat aber nichts mehr gesagt von wegen meinem Hausverbot. Der Rick aber traut sich nicht mehr rauf zu dir und steht dann ab und zu vorm Krankenhaus, kaut an seinen Nägeln und versucht, jemanden abzupassen, der ihm sagt, wie es dir geht. Hatte letzte Woche wieder Tagschicht, und irgendwie komm ich da zu gar nichts mehr. Bin dann schon in aller Herrgottsfrüh im Vogelnest und radele hinterher noch schnell zu dir ins Krankenhaus, les dir die wichtigsten Berichte aus der Zeitung vor (meistens Sport, aber auch ein bisschen Politisches, sollst ja nicht verblöden), oder ich erzähl dir was aus meinem Leben. Es ist sowieso egal, weil du eh nicht reagierst.
Wie gesagt, daheim komm ich zu gar nichts im Moment, weil ich abends auch ziemlich platt bin. Schieb mir bloß noch schnell ’ne Pizza oder so was in den Ofen, schalte den Fernseher ein und schlaf meistens beim ersten Krimi ein. In meiner Bude sieht’s aus wie bei Schweins hinterm Haus, und heutewerd ich dem Elend ein Ende bereiten und den Wischmob schwingen. Zuerst aber schreib ich auf, was es Neues gibt, damit nichts in Vergessenheit gerät.
Neu zum Beispiel ist, dass die Frau Dr. Redlich nun im Vogelnest nächtigt. Genau gesagt, in ihrem Praxiszimmer. Da hat sie sich ein Notbett aufgestellt, und dort schläft sie nun. Vorübergehend, wie sie sagt. Weil sie sich von ihrem Lebensabschnittsgefährten getrennt hat. Weil sie mit dem jahrelang an irgendwelchen Gemeinsamkeiten gearbeitet hat und nun rausfinden musste, dass es keine gibt. Und nun will sie erst mal eine passende Wohnung finden, schließlich kann ja eine Frau Dr. Psycho-Redlich nicht in jeder x-beliebigen Behausung residieren. Na ja. Jedenfalls hab ich zu ihr gesagt, jetzt, wo sie eh da ist, bräuchte ich ja keine Nachtschichten mehr zu machen (obwohl mir die viel lieber sind). Hab das auch nur so zum Spaß gesagt, um zu sehen, wie sie reagiert. Und prompt: »Nein, mein lieber Vorholzner«, hat sie gesagt, »ich werde hier nicht bezahlt, um Händchen zu tätscheln, alberne Gutenachtgeschichten zu erzählen, Bettpfannen auszuleeren oder imaginäre Gespräche mit Verstorbenen zu führen. Das überlass ich großzügig Ihren ach so talentierten Händen«, sprach’s, warf ihr güldenes Haar zurück und verschwand mit wehenden Kleidern.
Hab
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