Hanni und Nanni - Klassenfahrt nach England
einem affektierten Ton fort. „Ich muss unbedingt noch mal in mein Zimmer, den Eyeliner nachziehen.“ Und damit stapfte sie ohne ein weiteres Wort an Lilly vorbei aus der Bibliothek. Die Zwillinge und ihre Cousine sahen ihr mit offenem Mund sprachlos hinterher. Und das kam wahrlich nicht oft vor.
„Ich hab sie gefunden“, rief Lilly, als sie mit Hanni und Nanni die Vorhalle betrat. Dort hatte sich die ganze Klasse um Frau Mägerlein versammelt. Die Lehrerin hob die Augenbrauen.
„In der Bibliothek“, sagte sie spöttisch. „Was für ein originelles Versteck für junge Mädchen.“
Die Zwillinge sahen Lilly wütend an.
„Wir haben nichts angestellt“, sagte Hanni. „Ehrlich.“
„Doch“, erwiderte Frau Mägerlein unerbittlich. „Der Unterricht hat bereits vor fünfzehn Minuten begonnen. Wo ist Daniela?“
„Die ist noch mal aufs Klo“, sagte Nanni.
„Ihr wisst, was das bedeutet, nicht wahr?“
„Aber wir wollten doch nur … “, protestierte Hanni, doch ein kleiner Stoß ihrer Schwester brachte sie zum Schweigen. Es hatte ja keinen Zweck.
„Küchendienst?“, fragte Nanni schicksalsergeben.
Frau Mägerlein nickte bestätigend. „Und Daniela könnt ihr als Unterstützung gleich mitnehmen.“
„Aber das ist nicht fair“, maulte Hanni.
„Genug“, entschied Frau Mägerlein. Sie hatten schon viel zu viel Zeit vergeudet. „Ab ins Klassenzimmer.“ Damit war jede Diskussion beendet.
Nach dem Mittagessen standen die Zwillinge zwischen Bergen von Tellern und Gläsern in der Küche. Nanni spülte und Hanni trocknete ab. Konrad Kästner putzte den Herd und räumte seine Töpfe auf. Lange Zeit war nur das Klappern des Geschirrs zu hören. Der Professor hielt ab und zu inne und sah aus dem Fenster hinaus in den Kräutergarten, den er während der Sommerferien hinter der Küche angelegt hatte.
„Und? Habt ihr mit Daniela gesprochen?“, unterbrach er plötzlich die Stille.
„Ja, leider“, sagte Hanni. „Deswegen dürfen wir hier jetzt Küchendienst schieben.“
Der Professor runzelte die Stirn. Was hatte das eine mit dem anderen zu tun?
„Wir dürfen nicht darüber reden“, sagte Nanni. „Wir haben es versprochen.“
„Ich weiß Bescheid. Als Daniela angekommen ist, hat sie mir erzählt, was passiert ist. Ihre Eltern wollen sich trennen.“ Konrad Kästner lehnte sich gegen den Küchentisch und verschränkte die Arme.
„Ja, und es scheint wirklich ernst zu sein“, meinte Hanni.
„Das fürchte ich auch. Deshalb habe ich euch auch gebeten, dass ihr euch ein bisschen um Daniela kümmert. Das ist sicher nicht einfach für sie.“
Hanni warf das Geschirrtuch auf den Tisch. „Für uns auch nicht. Jetzt hat sie sich hingelegt, obwohl sie eigentlich mit uns Küchendienst schieben müsste.“
„Und wegen ihr haben wir überhaupt nur Küchendienst“, warf Nanni ein. „Weil sie uns in der Bibliothek aufgehalten hat.“
Konrad Kästner lächelte wehmütig. „Ja, so ist das manchmal, wenn man anderen helfen will. Es erscheint oft so, als hätte man nur Nachteile davon. Aber die Freundschaft, die daraus entstehen kann, belohnt einen doppelt dafür. Und vielleicht braucht ihr ja auch mal Hilfe … Ihr dürft euch nicht so schnell entmutigen lassen. Daniela ist mit ihren Gedanken gerade einfach woanders.“
„Also, sehr viele Küchendienste möchte ich für die Freundschaft jedenfalls nicht mehr aufgebrummt bekommen“, sagte Hanni und hängte das Geschirrtuch zum Trocknen ans Fenster.
„Sadi, ein persischer Dichter, hat einmal gesagt: ‚Es ist keine Kunst, die Welt zu erobern; wenn du kannst, erobere ein Herz.“ Der Professor lächelte vielsagend.
Die Zwillinge sahen sich ratlos an. Aber was immer das heißen sollte, eins war klar: Sie konnten Daniela nicht im Stich lassen. Wer weiß, was sie sonst alles anstellen würde …
Abreise nach Tottingham
Die breiten Reifen des Busses knirschten im Kies. Professor Kästner hatte das Tor zum Schlosshof geöffnet und unten am Eingang standen die Mädchen mit ihrem Gepäck bereit. Alle trugen die Schuluniform des Internats: einen dunkelblauen, karierten Faltenrock, weiße Bluse, Pullunder und Jackett. Nur Daniela hatte sich zusätzlich einen kleinen rosafarbenen Schmetterling ans Revers geheftet.
Frau Professor Mägerlein schritt die Reihen ihrer Schülerinnen ab und nickte zufrieden. Sie drehte sich zu Frau Theobald um, die auf dem Hof stand und die Inspektion der Mädchen mit einem geduldigen Lächeln abwartete.
„Gut?“, rief
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