Hanni und Nanni - Nannis neue Freundin (German Edition)
Nanni arbeiteten draußen an ihren Zeichnungen, bis die Dämmerung hereinbrach. Mit roten Wangen kehrten die Zwillinge in den Gemeinschaftsraum zurück, um zu prüfen, welche Ansicht von Lindenhof besser für ihren Wandbehang passte.
Sie waren beide sehr schön. Denn sowohl Hanni als auch Nanni waren gute Zeichnerinnen.
Schließlich einigten sie sich auf Nannis Entwurf. Mit dem hohen Turm in der Mitte sah Lindenhof fast wie ein Märchenschloss aus.
Nach ihrem letzten Besuch auf dem Speicher war Katrin alles andere als beruhigt. Levin und Leonie waren hektisch herumgeflattert, statt zufrieden an ihrem Balken zu schlafen. Da war etwas ganz und gar nicht in Ordnung.
„Die Fledermäuse haben Hunger“, erklärte Katrin Hanni und Jenny auf dem Weg zum Unterricht. „Sonst würden sie doch schlafen.“
Nanni und Olivia kamen untergehakt an den dreien vorbei.
„Trödelt nicht so“, meinte Nanni. „Frau Roberts steht garantiert pünktlich im Klassenraum.“ Was hatte Hanni nur dauernd mit Jenny und Katrin zu tuscheln?, fragte sie sich.
Die drei steckten besorgt die Köpfe zusammen. Auch Hanni und Jenny fanden beunruhigend, was Katrin ihnen erzählte. Sie kannten sich ja nicht so richtig aus mit Fledermäusen, aber wenn sie im Winter herumflogen, dann stimmte da etwas nicht. Und so viel stand fest: Wenn die Fledermäuse Hunger hatten, brauchten sie Futter.
„Wir helfen dir natürlich“, versprachen Hanni und Jenny.
„Das ist superlieb von euch!“, strahlte Katrin.
„Wir können euch doch nicht im Stich lassen“, nickte Hanni, „Levin, Leonie und dich.“
Katrin seufzte. „Ihr seid die Allerbesten!“ Freundschaftlich legte sie den beiden den Arm um die Schultern. Nicht mehr allein die ganze Verantwortung für ihre Schützlinge zu haben, das fühlte sich schon viel, viel besser an.
„Das nächste Problem ist“, sagte Katrin, „was fressen Leonie und Levin überhaupt?“
„Und wie füttert man sie?“, schob Hanni hinterher.
„Fledermäuse fressen Motten und Mücken“, überlegte Jenny. „Die schnappen sie sich nachts aus der Luft.“
Katrin und Hanni begannen zu kichern. „Leider beherrscht keine von uns die Kunst, um die Türme von Lindenhof herumzuflattern und nach Motten und Mücken zu schnappen“, kicherte Hanni.
„Außerdem“, fügte Katrin jetzt ernster hinzu, „fliegen Motten schon eine ganze Weile nicht mehr in Lindenhof herum.“ Sie deutete aus dem Fenster. Der Herbstwind blies eben die letzten bunten Blätter von den Bäumen. Ratlos sahen die drei sich an.
„Bücher!“, meinte Hanni schließlich.
Jenny zog die Nase kraus. „Wie? Wenn Fledermäuse eins nicht fressen, dann sind es bestimmt dicke, staubige Bücher!“
„Nein“, gab Hanni ungeduldig zurück. „Aber in der Bücherei finden wir doch sicher etwas über die Ernährung von Fledermäusen.“
„Ach so … klar“, meinte Jenny.
„Also gut“, sagte Katrin. „Treffen wir uns heute Nachmittag in der Bücherei?“
„Einverstanden!“, nickten Hanni und Jenny. Die Fledermäuse hatten die Wichtigkeitsstufe eins. Da musste alles andere zurückstehen.
„Was macht ihr drei denn noch hier draußen?“ Frau Roberts kam mit großen Schritten heran. „Jetzt aber ab auf eure Plätze.“ Damit schob sie die drei Mädchen vor sich her in den Klassenraum.
Olivia sah zufrieden, wie Hanni ihren Platz neben Hilda einnahm. Womit Hanni sich gerade die Zeit vertrieb, wusste sie zwar nicht. Die Hauptsache aber war, dass sie ein Geheimnis vor Nanni hatte. Und während sie mit diesem Geheimnis beschäftigt war, hatte sie keine Zeit, sich zwischen sie, Olivia, und Nanni zu schieben.
Olivia schüttelte den Pony vor die Augen und beugte sich über ihr Heft, was Nanni jetzt auch tat. Denn Frau Roberts begann mit dem Unterricht.
Die Lehrerin schritt unwillig im Klassenraum hin und her und zupfte sich eine Haarsträhne zurecht. Sie hatte heute ausgesprochen schlechte Laune. Dann pflegte sie den Schülerinnen im Englischunterricht besonders schwierige Texte vorzulegen. Bobby jedenfalls vermutete das. Texte, in denen möglichst viele Jahreszahlen und meterlange Fremdwörter vorkamen.
Heute hatte sie etwas über den U-Bahn-Bau im London des späten 19. Jahrhunderts aus ihren Unterlagen gekramt. Doch niemand wagte, sich zu beschweren. Frau Roberts liebte es gar nicht, mit den Mädchen über den Unterrichtsstoff zu diskutieren. Ergeben beugten sich die Mädchen über den knochentrockenen Text und arbeiteten stumm.
Nur Katrin
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