Hanni und Nanni - Nannis neue Freundin (German Edition)
nicht. Vor dem Fenster passierte etwas, was ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Vor den Mauern von Lindenhof traf eben ein Schwertransporter ein. Wahrscheinlich, um den Radlader wieder abzuholen. Die Erdarbeiten am Eiskeller waren vermutlich beendet.
„Da du dich so für Bauarbeiten interessierst“, wandte sich Frau Roberts mit schneidender Stimme an Katrin, „wirst du mir sicher gern zusammenfassen, auf welche Probleme die Londoner beim Bau der U-Bahn, der Underground, stießen. Bitte?“
Erschrocken fuhr Katrin herum. Ihr Kopf war vollkommen leer. Sie hatte keine Ahnung, wovon die Rede war. Denn natürlich hatte sie keine einzige Zeile des Textes gelesen.
Frau Roberts blieb kühl wie Eis, wenn sie wütend war. Ganz anders als Mamsell, die in ihrem Zorn das Klassenzimmer zum Beben bringen konnte. Die Strafpredigten von Frau Roberts waren deshalb aber um keinen Deut angenehmer.
„Meine liebe Katrin“, begann die Lehrerin mit kalter Stimme. „Ich habe schon in deiner letzten Arbeit festgestellt, dass du in meinem Unterricht ganz offensichtlich anderen Dingen nachgehst als dem Englischlernen. Deswegen würde ich vorschlagen, dass du den heutigen Stoff am Nachmittag …“
„Dampf“, flüsterte ihr Petra von links zu.
Katrin lächelte unsicher. Dampf!? Underground? Diese Wörter sagten ihr absolut nichts!
„Dampf“, zischte Petra noch mal und wurde puterrot vor Aufregung.
Die Jüngste der Klasse war offensichtlich die Einzige, die den Text verstanden hatte. Sie las alles, was ihr in die Finger kam. In ihrer freien Zeit fand man sie oft mutterseelenallein in der Schulbibliothek, wo sie dicke Lexika wälzte oder in schwierigen Romanen schmökerte.
„Dampf …“, wiederholte Katrin jetzt laut. „Das Problem bei der Underground war der Dampf …“ Sie verstummte.
Frau Roberts hielt in ihrer Strafpredigt inne. „Dampf also“, sagte sie abwartend. „Erklär uns das etwas genauer, meine liebe Katrin.“
„Früher“, begann Katrin hilflos, „gab es sehr viel Dampf … Also … die Arbeiter haben sehr viel geraucht … Zigaretten gedampft eben. Und da ist ein unheimlicher Dampf in den Tunneln entstanden. Und deswegen haben die Arbeiter beim Bohren der Tunnel für die Underground kaum noch Luft gekriegt. Und das war ein großes Problem …“
Die Ersten begannen bereits zu kichern. Selbst Hilda musste sich auf die Lippen beißen. Es war kompletter Unsinn, was Katrin da von sich gab.
„Dampfmaschinen“, flüsterte Petra, um Katrin doch noch auf die richtige Spur zu bringen. Zu spät! Frau Roberts war in ihrer Empörung über so viel Unwissen nicht mehr zu bremsen.
„Und um deinen Kopf ebenfalls mal ein bisschen zum Dampfen zu bringen“, sagte sie, „schreibst du für morgen einen Aufsatz: Steam trains in the Underground. Und diesmal bitte keine Märchen!“
„Aber Frau Roberts, ich wollte heute Nachmittag …“, begann Katrin.
„Kein Wort mehr“, fiel die Lehrerin ihr ins Wort. „Sonst erläuterst du mir außerdem die Entwicklung der Fahrgastzahlen von 1870 bis 1900. In der Bücherei findest du alles, was du dazu brauchst.“
Katrin warf Hanni und Jenny einen entsetzten Blick zu. Was sollte dann aus den hungrigen Fledermäusen werden?
Die beiden nickten ihr beruhigend zu. Sie würden sich um alles kümmern.
Katrin atmete auf. Hanni und Jenny waren echte Freundinnen!
Auch Nanni hatte Hannis Blickwechsel mit Katrin bemerkt. Doch Hanni sah weg, als ihre Schwester sie ansah. Sie hätte ihr so gern erzählt, worum es ging. Aber versprochen war nun mal versprochen!
Nanni biss sich auf die Lippen. Hanni verschwieg ihr etwas, und das schmerzte. Ihr Tagebuch war voll von ihren Gedanken über Hannis Geheimnis, in das sie sie nicht einweihen wollte.
Olivia schien zu spüren, dass Nanni traurig war. Sie lächelte ihr zu und schob ihr ein Sahnebonbon rüber.
Nanni sah überrascht auf. Sie liebte Sahnebonbons. Und zwar genau diese Sorte, die es nur in der Konditorei am Stadtbrunnen gab!
„Superlieb von dir“, kritzelte Nanni auf einen Zettel. „Sollen wir nach dem Mittagessen wieder die Hausaufgaben zusammen machen?“
Ein Strahlen erschien auf Olivias Gesicht. Sie nickte.
Jenny und Hanni hatten einen Plan. Das heißt, eigentlich war es Jennys Idee. Wieso sollten sie stundenlang in der muffigen Bücherei nach Informationen über Fledermäuse suchen, wenn sie die Arbeit genauso gut an der frischen Luft erledigen konnten?
Nicht weit von Lindenhof gab es ein Anglergeschäft. Dort
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