Hanni und Nanni - Nannis neue Freundin (German Edition)
eine schwere Operation hatte und sie braucht eine Haushaltshilfe für ihr Kind zu Hause …“ Die Freundinnen verstanden sofort. Carla sprach von sich selbst. Sie war damals in eine große Notlage geraten, weil ihre Mutter lange im Krankenhaus gelegen hatte und niemand da gewesen war, der sich um Carla hätte kümmern können.
„Ich weiß nicht so genau …“, erwiderte Olivia vage. „Ich weiß nur, dass meine Mutter versucht, das Geld der Versicherung zusammenzuhalten.“
Hilda wechselte schnell das Thema. „Marianne, wann fängt eigentlich das Handballtraining an? Ich habe mich die ganzen Ferien darauf gefreut.“
Nanni lächelte ihr dankbar zu. Olivia konnte schließlich nichts dafür, dass ihre Mutter solch einer Arbeit nachging.
„Es geht gleich diese Woche mit dem Training los“, erklärte Marianne. „Hoffe ich wenigstens. Das erste Spiel findet in elf Tagen statt. Wie ist es?“, wandte sie sich an Olivia. „Hast du Lust, in die Mannschaft zu kommen?“
Olivia versuchte ein Lächeln. Sport gehörte auch zu ihren vielen Schwächen – zum Leidwesen ihrer Mutter. Aber Hanni und Nanni redeten ihr zu. Vielleicht war sie ja eine gute Handballerin. Ehe man es nicht ausprobiert hatte, konnte man das nie wissen.
„Jedenfalls bist du beim Training herzlich willkommen“, meinte Marianne und nahm noch einmal zwei große Löffel von der Schokoladencreme. „Wir trainieren dreimal in der Woche.“
Am Abend des ersten Tages trafen sich die Freundinnen wie immer im Gemeinschaftsraum. Nur Olivia fehlte. Sie hatte sich schon auf ihr Zimmer verabschiedet. Es war alles so neu für sie, und jetzt sei sie müde, hatte sie gesagt. Außerdem wollte sie noch ihre Sachen für den ersten Schultag sortieren.
„Wie findet ihr den Kummerkasten?“, fragte Jenny die Freundinnen auf ihre direkte Art.
„Sei nicht so gemein“, fiel Marianne ihr ins Wort.
„Außerdem ist es viel zu früh, ein Urteil zu fällen“, bemerkte Hilda.
„Der erste Eindruck zählt“, grinste Jenny. „Also, raus mit der Sprache!“
Claudine runzelte die Stirn. Sie hatte Olivias Grobheit gegenüber Mamsell nicht vergessen. „Also, wenn ihr mich fragt“, begann sie nachdenklich, „mich erinnert Olivia an eine Schnecke, die sich im Salat versteckt. Sie will sich auf keinen Fall offen zeigen, um zu sagen: ‚Hier bin ich, die Schnecke. Mögt mich oder mögt nicht.‘ Doch im Verborgenen frisst dieses schleimige Wesen riesige Löcher in den herrlichsten Salat und macht ihn für alle ungenießbar.“
„Aber Claudine“, rügte Hilda sie. „Wie kannst du so etwas über ein neues Mädchen sagen? Der Anfang ist für sie auch so schwer genug.“
Claudine grinste Hilda spitzbübisch ins Gesicht. „Oh, war das gemein, was ich gesagt habe? Das wollte ich wirklich nicht. Liebe Hilda, mein Deutsch ist nicht so gut. Und weißt du denn nicht, dass Schnecken ganz wunderbare Tiere sind? Mit ein bisschen Knoblauchbutter im Pfännchen gebacken schmecken sie vorzüglich. Also, meine Mutter hat da ein ganz tolles Rezept …“
Die Freundinnen zogen die Nase kraus. Schnecken hatte keine von ihnen bisher gegessen, abgesehen von Angela. Dass diese schleimigen Kriecher genießbar sein sollten, konnten sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
„Oh, Claudine!“, seufzte Hilda.
Nanni fand es auch nicht besonders nett, wie Claudine über Olivia redete. Dabei hatte die kleine Französin in gewisser Weise den Nagel auf den Kopf getroffen. Und die Art, wie Olivia sich in sich selbst zurückzog, hatte bestimmt auch Frau Theobald im Auge gehabt, als sie Hanni und Nanni gebeten hatte, sich ein wenig um das Mädchen zu kümmern. Nanni jedenfalls nahm sich vor, dass sie die Direktorin nicht enttäuschen würde.
Olivia stand allein im Waschraum. Sie hatte sich das fahle, lange Haar glatt ins Gesicht gebürstet. Mühsam linste sie zwischen den Strähnen hindurch. Dann griff sie nach ihrer Handarbeitsschere. Schnapp. Mit einem entschiedenen Schnitt kürzte sie die erste Strähne zum Pony. Und noch einmal machte sie schnipp.
Olivia lächelte ihrem Spiegelbild zu. Lindenhof würde ein Neuanfang sein. Sie würde ihre Mutter nicht enttäuschen! Nie wieder würde sie die langweilige, farblose Olivia sein.
Sie schüttelte sich den Pony über die wasserblauen Augen, wie sie es bei Hanni und Nanni gesehen hatte. Dass er nicht ganz gerade war, fiel jetzt nicht mehr auf. Sie zog die Nase kraus, wie es Nanni öfters tat, und legte den Kopf zum Lachen in den Nacken,
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