Hanni und Nanni sind immer zur Stelle
vor Selbstbewusstsein. Kein Wunder, wenn man aus einer Wissenschaftlerfamilie stammte! Eigentlich fand sie, dass sie selbst auch sehr stolz auf sich sein konnte. Aber die anderen mochten Suses Art nicht, deren Selbstbewusstsein sich darauf gründete, dass ihr Vater viel Geld hatte. Suse wandte hoheitsvoll den Kopf ab, wie sie es bei Angela von Faber gesehen hatte.
„Als angehende Wissenschaftlerin bist du in Petras Zimmer ja bestens aufgehoben“, bemerkte Hanni.
Alina schaute zu Petra hinüber, die immer noch puterrot war. „Wieso denn das?“
„Ihr könntet ein echtes Forscherteam bilden“, pflichtete Hilda Hanni bei.
Alina schaute ungläubig. Ausgerechnet Petra, diese unscheinbare graue Maus, sollte so klug sein?
„Ja“, fiel Nanni ein, „es gibt nichts, über das Petra nicht Bescheid wüsste. Frag sie irgendwas …“
Petra schüttelte abwehrend den Kopf. Sie hasste es, im Mittelpunkt zu stehen. Warum taten Hilda und Nanni ihr das an?
Das Klingen eines Glases erlöste Petra aus der unangenehmen Situation. Frau Theobald, die Direktorin von Lindenhof, erhob sich, um die Mädchen mit einigen herzlichen Worten zu begrüßen. Die Schülerinnen liebten ihre Direktorin. Sie war zwar streng, aber gerecht.
Trotzdem waren alle froh, als die Rede zu Ende war und sie sich endlich über all die köstlichen Sachen hermachen konnten, die jetzt vor ihnen in den Schüsseln dampften.
„Mamsell ist immer noch nicht aufgetaucht“, wunderte sich Nanni. Wenn es gutes Essen gab, war die Französischlehrerin eigentlich immer zur Stelle.
Claudine machte eine bedauernde Geste. „Sie fühlt sich heute nicht wohl“, erklärte sie. Claudine war die Nichte von Mamsell, deshalb wusste sie Bescheid.
Nanni schloss genießerisch die Augen. „Dann verpasst sie leider dieses wunderbare Hühnerfrikassee …“
„Und dieses Gratin …“, seufzte Hanni.
Zwillingsdoppel
Alina hatte sich schnell in Lindenhof eingewöhnt. In kürzester Zeit fühlte sie sich unter all den Mädchen wie zu Hause. Sie war viel und gerne draußen unterwegs. Häufig traf man sie auf den großzügigen Tennisplätzen an. Irgendwer fand sich dort immer, der Lust hatte, eine Partie zu spielen. Alina hatte sogar schon Petra vorgeschlagen, mit ihr auf den Platz zu gehen.
Doch die schüchterne Petra hatte abgewunken. Ihr war schon der Sportunterricht zu viel, vor dem man sich in Lindenhof leider nicht drücken konnte.
Mit Marianne spielte Alina häufig Doppel gegen Hanni und Nanni, wie sie es am ersten Abend nach den Ferien ausgemacht hatten. Die Zwillinge freuten sich über jede Trainingsmöglichkeit, als Vorbereitung auf das Pokalspiel gegen die Eichenwaldschule.
Aber auch sonst war Alina überall dort dabei, wo es Spaß gab: bei den Wasserschlachten im Schwimmbad, bei den Ausflügen in die Stadt, bei den langen Abenden im Gemeinschaftsraum, an denen noch ewig geschwatzt, gespielt und gelacht wurde.
Petra war meist schon lange vor ihr im gemeinsamen Zimmer, um in ihren dicken Büchern zu lesen. Seit Doris nicht mehr da war, zog sich Petra noch mehr zurück, als sie es vorher schon getan hatte. Doch es fiel den anderen kaum auf.
Lag es daran, dass Alina abends noch so lange im Gemeinschaftsraum saß? Oder lag es daran, dass sie öfter nach dem Lichtlöschen noch mit Bobby und Jenny über die Flure geisterte? Morgens zum Frühstück erschien Alina jedenfalls äußerst selten. Und wenn sie doch kam, sah sie völlig übernächtigt aus. Mit verschwollenen Augen und sehr schweigsam nahm sie zwischen den anderen Platz. Das lustige Mädchen vom Abend war am Morgen kaum wiederzuerkennen.
Auch beim gemeinsamen Erledigen der Hausaufgaben ließ sich Alina kaum sehen. Die Freundinnen trafen sich für gewöhnlich nach dem Mittagessen im Gemeinschaftsraum oder bei der Hausaufgabenbetreuung um fünf Uhr. Wer sich dort nie blicken ließ, auf den hatte die Klassenlehrerin Frau Jenks schon bald ein wachsames Auge.
Die Zwillinge, Jenny und die anderen wunderten sich. Wie schaffte es Alina, die vielen Hausaufgaben zu machen, ohne dass man sie jemals arbeiten sah?
„Vielleicht waren sie an ihrer alten Schule schon viel weiter als wir“, überlegte Jenny. „Und jetzt ist sie von den Hausaufgaben freigestellt.“
„Oder sie macht sie in ihrem Zimmer“, schlug Hilda zur Lösung des Rätsels vor.
„Ist es so?“, wandte sich Hanni an Petra. „Arbeitet sie viel in eurem Zimmer?“
Petra zuckte unbestimmt mit den Schultern.
„Jetzt jedenfalls lernt sie nicht in
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