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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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aus und griff an ihm vorbei nach der Aubergine, die sie im Sonnenschein so gern anschaute. Ihre Augen waren nicht kastanienbraun wie die ihres Bruders, sondern blau. Als sie auf die Aubergine starrte, schienen ihre Augen sich mit deren Farbe vollzusaugen und dunkler zu werden. Hannibal Lecter wußte, daß Farben ihre größte Leidenschaft waren. Nachdem sie wieder in die Hütte getragen worden war und die Küchenhilfe grummelnd nach draußen kam, um die Wanne im Garten auszuleeren, kniete Hannibal neben dem Beet mit Auberginen nieder, dort wo die Schlieren der Badeseife ein purpurnes und grünes Farbenspiel vor ihm hinzauberten, bis die Blasen auf dem bepflanzten Boden zerplatzten. Er nahm sein kleines Federmesser heraus, schnitt eine Aubergine mitsamt dem Stiel ab und polierte sie mit seinem Taschentuch. Das Gemüse war noch warm von der Sonne, als er es in Mischas Kinderzimmer trug und es so hinlegte, daß Mischa es sehen konnte. Sie liebte den dunklen Purpur, liebte die Farbe der Aubergine, so lange sie lebte. Hannibal Lecter schloß die Augen, um nochmals das Hochwild vor Starling flüchten zu sehen, um Starling noch einmal, umgeben von einer goldenen Aura, den Pfad hinunterlaufen zu sehen, aber das da, das war der falsche Hirsch. Das war der kleine Hirsch mit dem Pfeil im Rücken, der immer und immer wieder an dem um seinen Hals gelegten Strick riß, als die ihn zur Schlachtbank führten, der kleine Hirsch, den sie auffraßen, bevor sie Mischa fraßen. Plötzlich war es um seine Ruhe geschehen. Er sprang auf, Mund und Hände besudelt von dem purpurnen Saft der wilden Muskatellertrauben, seine Mundwinkel gingen nach unten wie die einer griechischen Maske. Er schaute Starling den Pfad hinterher. Dabei atmete er tief durch die Nase ein, um den reinigenden Geruch des Waldes in sich aufzunehmen. Er starrte auf den Punkt, wo Starling seinem Blick entschwunden war. Dort schien der Pfad irgendwie lichter als die ihn umgebenden Wälder zu sein, als ob Starling einen strahlenden Ort hinter sich zurückgelassen hätte. Er kletterte schnell zur Anhöhe hinauf und eilte dann auf der anderen Seite hügelabwärts zu dem Parkplatz eines nahegelegenen Campingplatzes, wo er seinen Pick-up abgestellt hatte. Er wollte aus dem Park sein, bevor Starling zu ihrem Wagen zurückkehrte, der zwei Meilen entfernt auf dem Hauptparkplatz neben dem Rangerhäuschen stand, das um diese Jahreszeit nicht besetzt war. Es würde noch etwa fünfzehn Minuten dauern, bis sie umkehrte und zu ihrem Wagen zurücklief. Dr. Lecter stellte den Pick-up neben dem Mustang ab und ließ den Motor laufen. Er hatte bereits mehrmals Gelegenheit gehabt, Starlings Wagen auf dem Parkplatz eines Supermarkts in der Nähe ihres Hauses zu begutachten. Es war die Jahresplakette für den Park gewesen, die ihn auf diesen Ort hier hatte aufmerksam werden lassen. Er hatte sich umgehend Kartenmaterial zu dem Park besorgt und ihn während seiner Mußestunden erkundet. Der Wagen war verschlossen und schien auf seinen tiefergelegten Achsen zu kauern, als schliefe er. Das Auto amüsierte ihn. Es war irgendwie drollig und schrecklich leistungsfähig in einem. Auf dem Türgriff aus Chrom konnte er selbst, als er sich hinunterbeugte, nichts riechen. Er klappte sein flaches Slim Jim auf und ließ es oberhalb des Schlosses in den Schlitz zwischen Fenster und Tür gleiten. Alarm? Ja? Nein? Klick. Nein. Dr. Lecter stieg in den Wagen, in die Luft hinein, die ganz und gar Clarice Starling zu sein schien. Das Lenkrad war klobig und mit Leder umkleidet. Auf der Nabe stand das Wort MOMO. Wie ein Papagei legte er den Kopf schief und blickte das Wort an. Seine Lippen formten die Worte »MO MO«. Dann lehnte er sich mit geschlossenen Augen im Sitz zurück, atmete, die Augenbrauen nach oben gezogen, als lauschte er einem Konzert. Dann, als ob sie ihren eigenen Gesetzen gehorchte, erschien die rosafarbene Spitze seiner Zunge zwischen den Lippen, wie eine kleine Schlange, die sich aus seinem Gesicht schlängelte. Ohne den Gesichtsausdruck zu verändern, so als nähme er die eigene Bewegung nicht bewußt wahr, beugte er sich nach vorn, fand das lederüberzogene Lenkrad, allein dem Geruch folgend, und ließ seine Zunge um die Rundung gleiten, wölbte sie um die Einkerbungen für die Finger auf der Unterseite. Er schmeckte den Punkt ab, von dem er wußte, daß dort ihre Hand lag. Dann lehnte er sich - die Zunge war wieder in ihr Nest zurückgeschlängelt - im Sitz zurück, wobei er den geschlossenen

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