Hannibal
ihm den Atem. Falls ihn die
Generals taatsanwältin dabei erwischen sollte, würde sie ihn wie ein Kakerlake zerquetschen. Krendler ging zwar ein hohes persönliches Risiko ein, aber der Ruin von Clarice Starling belastete ihn nicht so, als wenn er einen Mann vor sich gehabt hätte. Ein Mann hatte schließlich Familie - Krendler unterstützte seine Familie, wie habgierig und undankbar sie auch immer sein mochte. Und Starling mußte definitiv verschwinden. Auf sich allein gestellt, mit der nervtötenden Pingeligkeit einer patenten Hausfrau
recherchierend, fand sie Hannibal Lecter am Ende noch. Wenn das passierte, würde Mason Verger Krendler leer ausgehen lassen. Je eher sie ihrer Hilfsmittel beraubt und als Köder ausgeworfen war, desto besser. Krendler hatte auf seinem Weg zur Macht schon andere Karrieren ruiniert, zuerst als Staatsanwalt, der aktiv in die Politik eingriff, und dann später im Justizministerium. Er wußte aus Erfahrung, daß es einfacher war, die Karriere einer Frau zu zerstören als die eines Mannes. Wenn eine Frau in den Genuß einer Beförderung kam, die einer Frau eigentlich nicht anstand, war der wirksamste Weg noch immer, zu behaupten, daß sie dafür die Beine breit gemacht hatte. Unmöglich, Clarice Starling so dranzukriegen, dachte Krendler. Eigentlich kannte er niemanden, der es mehr brauchte, einmal auf die harte Tour von hinten genommen zu werden. Von Zeit zu Zeit, wenn er mit dem Finger in der Nase bohrte, dachte er an diese Schmirgelnummer, wie er das vor sich selbst nannte. Krendler hätte seine Animosität gegenüber Starling nicht erklären können. Es war instinktiv und gehörte zu einem Ort seiner Seelenlandschaft, an den er nicht gehen konnte. Ein Ort mit Sesselüberzügen und einer bauchigen Lampe, Türklinken und Fensterkurbeln und einem Mädchen mit Starlings Haarfarbe, nicht aber ihrem Verstand. Das Höschen hing ihr um einen Knöchel, und sie fragte, was, zum Teufel, los sei mit ihm, warum er nicht käme und es ihr besorge, ob er irgendwie schwul sei? Irgendwie schwul? Irgendwie schwul? Wenn man nicht wußte, was für eine Fotze Starling war, überlegte Krendler, so waren ihre tatsächlichen Leistungen viel besser als die paar Beförderungen das mußte er zugeben. Ihre Belobigungen waren
zufriedenstellenderweise spärlich ausgefallen: Unter Hinzugabe eines gelegentlichen Tropfens Gift in ihre Personalakte war es Krendler über die Jahre hinweg gelungen, die Personalabteilung des FBI zu beeinflussen: Man enthielt ihr eine Reihe von besonders begehrter Posten vor, die ihr eigentlich zugestanden hätten. Ihre auf Unabhängigkeit bedachte Haltung und ihr vorlautes Mundwerk hatten ihm seine Sache leichtgemacht. Mason hatte nicht auf die Entscheidung in der Feliciana-FischmarktGeschichte warten wollen. Außerdem gab es keine Garantie, daß im Verlauf der Anhörung irgend etwas an Starling hängenblieb. Der Tod von Evelda Drumgo und den anderen ging offenkundig auf ein Sicherheitsversagen zurück. Ein Wunder, daß es Starling geschafft hatte, die kleine Rotznase zu retten. Einer mehr, den der Sozialstaat durchfüttern mußte. Es war ein leichtes, den häßlichen Vorfall noch einmal hochzukochen, aber es war eine etwas plumpe Art, an Starling heranzukommen. Masons Weg war besser. Kurz und schmerzlos. Ehe sie sich versah, war sie draußen. Das Timing war günstig. Ein Grundsatz, der sich in Washington öfter bewahrheitet hatte als der Satz des Pythagoras, lautete: In Gegenwart von Sauerstoff überdeckt ein lauter Furz mit einem eindeutig Schuldigen viele kleine Emissionen im selben Raum, immer vorausgesetzt, daß sie in etwa zur selben Zeit erfolgen. Ergo würde der Impeachment-Prozeß das Justizministerium ausreichend ablenken, so daß er sich in aller Seelenruhe Starling vom Hals schaffen konnte. Mason wollte eine Berichterstattung, die Dr. Lecter zu sehen bekäme. Aber Krendler mußte das Ganze wie einen unglücklichen Zufall aussehen lassen. Glücklicherweise ergab sich eine Gelegenheit, die ihm in die Hände spielte, beinahe wie von selbst: Der Geburtstag des FBI stand an. Krendler bewahrte sich ein ruhiges Gewissen, mit dem er sich von aller Schuld freisprechen konnte. Er tröstete sich: Wenn Starling ihren Job verlieren sollte, dann kostete das dem Lesbennest, in dem sie lebte, allenfalls die große Satellitenschüssel für die
Sportübertragungen. Schlimmstenfalls geriet jemand außer Kontrolle und katapultierte sich ins Aus, wo er für niemanden mehr eine Gefahr darstellte.
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