Hannibal
Dezember, hatte Starling zwölf Möglichkeiten, die sie weiterverfolgen konnte. Es gab Kombinationen von Einkäufen mit Kreditkarten. Ein Mann hatte eine Kiste Petrus und einen Kompressor-XJR-Jaguar gekauft, beides mit derselben American-Express-Karte. Ein anderer bestellte eine Kiste Bätard -Montrachet und eine Kiste grüner Gironde-Austern. Starling reichte jede der Möglichkeiten an die jeweils zuständige Außenstelle mit der Anweisung weiter, der Spur dort nachzugehen. Starling und Eric Pickford arbeiteten in unterschiedlichen, sich aber überschneidenden Schichten, um das Büro während der Ladenöffnungszeiten besetzt zu halten. Es war Pickfords vierter Arbeitstag, und er verbrachte einen Teil seiner Zeit damit, die Kurzwahl seines Telefons zu programmieren. Er versah die Tasten nicht mit Aufklebern. Als er auf einen Kaffee das Büro verließ, drückte Starling die oberste Taste seines Telefons. Paul Krendler persönlich meldete sich. Sie legte auf und saß einen Augenblick lang vollkommen regungslos da. Es war an der Zeit, nach Hause zu gehen. Den Bürostuhl langsam um die eigene Achse drehend, betrachtete sie aufmerksam alle Gegenstände in »Hannibals Heim«. Die Röntgenbilder, die Bücher, das Gedeck für eine Person. Dann stieß sie die Vorhänge beiseite und ging. Crawfords Büro war offen und leer. Der von seiner verstorbenen Frau gestrickte Pullover hing auf dem Kleiderständer in der Ecke. Starling streckte die Hand nach dem Pullover aus, berührte ihn aber nicht, schwang ihren Mantel über ihre Schultern und machte sich auf den weiten Weg zu ihrem Auto. Sie würde Quantico niemals wiedersehen.
KAPITEL 70
Am Abend des 17. Dezember läutete Starlings Türglocke. Sie konnten den Einsatzwagen eines Federal Marshai in der Auffahrt hinter ihrem Mustang stehen sehen. Der Marshai war Bobby, der sie nach der Feliciana-Schießerei vom Krankenhaus nach Hause begleitet hatte. »Hi, Starling.« »Hi, Bobby. Kommen Sie rein.« »Das würde ich gern, aber ich muß Ihnen erst etwas mitteilen. Ich habe hier einen Bescheid, den ich Ihnen zustellen muß.« »Teufel auch! Stellen Sie ihn mir doch im Haus zu, dort ist es wenigstens warm«, sagte Starling mit einem leichten Druck in der
Magengegend. Der Bescheid unter dem Briefkopf des Inspector General vom Justizministerium forderte sie auf, zu einer Anhörung am nächsten Morgen, dem 18. Dezember, um 9.00 Uhr im J. Edgar Hoover Building zu erscheinen. »Soll ich Sie morgen abholen kommen?« fragte der Marshai. Starling schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, Bobby, ich nehme meinen Wagen. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?« »Nein, vielen Dank. Es tut mir leid, Starling.« Es war offenkundig, daß der Marshai gehen wollte. Eine verlegene Stille trat ein. »Ihr Ohr sieht ja wieder ganz gesund aus«, sagte er schließlich. Sie winkte ihm, als er in der Einfahrt zurücksetzte. Der Brief bestellte sie zum Rapport. Ein Grund wurde nicht genannt. Ardelia Mapp, gestählt in zahllosen Schlammschlachten des Bureaus und ein ewiger Dorn im Fleisch der Good-Old-BoysSeilschaften, brühte sofort den stärksten medizinischen Beruhigungstee ihrer Großmutter auf, der dafür berühmt war, jede noch so triste Stimmung zu heben. Starling fürchtete sich wie immer vor dem Tee, aber es gab kein Entrinnen. Mapp tippte mit dem Finger auf den Briefkopf. »Der Inspector General hat dir nichts, aber auch gar nichts zu sagen«, sagte Mapp zwischen zwei Schlückchen Tee. »Falls deine Dienstaufsichtsbehörde dir gegenüber Vorwürfe erhebt oder das OPR-DO} etwas gegen dich in Händen hält, dann müssen sie dir das mitteilen, sie müssen dich schriftlich vorladen. Sie müssen dir ein gottverdammtes 645er oder 644er zustellen, wo die gegen dich erhobenen Vorwürfe fein säuberlich aufgeführt sind. Wenn sie glauben, daß du dich strafbar gemacht hast, hast du das Recht auf einen Anwalt, auf vollständige Offenlegung, eben alles, was selbst dem kleinsten Gauner zusteht, richtig?« »Verdammt, wo du recht hast, hast du recht.« »Hier, auf diese Weise, hast du vorab nicht die Bohne in der Hand. Inspector General, heißt das nicht Politik? Der kann doch nicht einfach irgendeinen x-beliebigen Fall an sich ziehen.« »Den hier jedenfalls hat er an sich gezogen.« »Weil Krendler ihm Feuer unterm Arsch macht oder den Ohrenbläser abgibt. Was auch immer es sein mag, falls du das Ganze über die Frage der Chancengleichheit laufen lassen willst, ich habe sämtliche Nummern gebunkert. Hör mir gut zu,
Weitere Kostenlose Bücher