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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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den Schirm«, sagte er, als er mit dem Lesen des Artikels fertig war. Es dauerte einen Augenblick. Das großformatige Röntgenbild benötigte einen Leuchttisch, um auf dem Bildschirm einigermaßen gut erkennbar zu sein. Man sah eine menschliche Hand, offenkundig verletzt. Dann gab es noch eine andere Aufnahme, die die Hand und den ganzen Arm zeigte. Ein Pfeil auf dem Röntgenbild markierte etwa in der Mitte zwischen Ellbogen und Schulter einen verheilten Bruch des Oberarmknochens. Mason schaute sich das Bild viele Atemzüge lang an. »Den Brief«, sagte er schließlich. Meine liebe Clarice, las Mason, mit Aufmerksamkeit und Interesse habe ich Ihr In -Ungnade-Fallen und die erniedrigende Diskussion um Ihre Person« in der Öffentlichkeit mitverfolgt. ... Allein der Rhythmus der Stimme beschwor in ihm Erinnerungen, die ihn schwindeln ließen, die sein Bett, seinen Raum wie einen Kreisel drehten. Sie strudelten das Unsagbare aus seinem Unterbewußtsein empor, ließen sein Herz rasen. Die Maschine registrierte seine Erregung und versorgte seine Lunge verstärkt mit Sauerstoff. Die Atemfrequenz schmerzhaft erhöht, las er den ganzen Brief, las ihn wie auf einem Pferderücken über die sich hebende und senkende Maschine hinweg. Mason konnte sein Auge nicht schließen, aber als er mit der Lektüre fertig war, driftete sein Geist von seinem Auge weg. Er dachte einen Moment lang nach. Die Beatmungsfrequenz der Maschine verlangsamte sich. Dann blies er in das Röhrchen. »Ja, Sir.« »Schaff mir den
Kongreßabgeordneten Vellmore ans Telefon. Bring mir den Kopfhörer, und schalte den Lautsprecher aus.« »Clarice Starling«, sagte er zu sich selbst mit dem nächsten Atemzug, den ihm die Maschine gestattete. Der Name hatte keine Verschlußlaute, also konnte er ihn einigermaßen gut aussprechen. Nichts von seinem Klang ging verloren. Während er auf das Telefonat wartete, nickte er für einen Augenblick ein. Der Schatten des Aals kroch über die Bettdecke, sein Gesicht und das geflochtene Haar.

KAPITEL 7
    Blizzards Point, die für Washington und den Distrikt Columbia zuständige Außenstelle des FBI, ist nach einem Platz benannt, an dem sich während des Bürgerkrieges in der Nähe eines Lazaretts die Geier versammelten. Die Versammlung, die sich heute eingefunden hatte, bestand aus Bürokraten unterschiedlichster Couleur. Beamte aus dem Mittelbau der Drug Enforcement Administration, des Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms saßen mit Vertretern des FBI zusammen, um über das berufliche Schicksal von Clarice Sterling zu befinden. Starling stand allein auf dem dicken Teppich im Büro ihres Chefs. Sie konnte ihren Puls unter dem Kopfverband pochen hören. Jenseits des Pulsschlags in ihrem Ohr vernahm sie Männerstimmen, die durch die
Milchglasscheibe der Tür zu einem angrenzenden Konferenzraum gedämpft wurden. Das berühmte Siegel des FBI mit dem Motto »Treue, Tapferkeit und Rechtschaffenheit« zierte in Blattgold das Glas. Der Pegel des Stimmengewirrs hinter dem Siegel hob und senkte sich je nach dem Grad der Leidenschaft, die im Spiel war. Von Zeit zu Zeit konnte Starling ihren Namen heraushören. Das Büro bot eine schöne Aussicht auf den Yachthafen von Fort McNair, wo man die des Attentats auf Lincoln angeklagten Verschwörer gehängt hatte. Vor Starlings geistigem Auge tauchten Fotos von Many Surratt auf, wie sie hinter ihrem Sarg her schreitet und den Galgen von Fort McNair besteigt. Wie sie mit der Kapuze über dem Kopf auf der Falltür steht, die Röcke um die Reine gebunden, um ja keiner Schamlosigkeit Vorschub zu leisten, wenn sie nach unten rauscht, in das laute Knirschen und die ewig dunkle Nacht. Stühlerücken im Raum nebenan. Starling hörte, wie sich die Männer erhoben. Im Gänsemarsch betraten sie das Büro. Einige der Gesichter kannte sie vom Sehen. Unglaublich, da war ja auch Noonan, der A/DIC der ganzen Investigation Division, und, wie hätte es auch anders sein können, ihre Nemesis in Gestalt von Paul Krendler aus dem Justizministerium. Mit seinem langen Hals und den hoch am Schädel angesetzten rundlichen Ohren sah er aus wie eine Hyäne. Krendler war ein Aufsteiger, die graue Eminenz, die dem General Inspektor soufflierte. Seit sie den Serienkiller Buffalo Bill vor sieben Jahren gefaßt, ihm gewissermaßen vor der Nase weggeschnappt hatte, hatte er nichts unversucht gelassen, um ihr berufliches Fortkommen zu verhindern. Keiner dieser Männer war je mit Starling im Einsatz gewesen, hatte mit ihr

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