Hannibal
großer Befriedigung erfüllt, weil Sie sich der Vorstellung hingeben durften, Ihr Vater hätte es an Ihrer Statt getan. Gegenwärtig genießen Sie beim FBI keinen sonderlich guten Ruf. Haben Sie sich eigentlich immer Ihren Vater als Ihren Vorgesetzten ausgemalt, haben Sie ihn sich etwa als Abteilungsleiter oder - besser sogar als Jack Crawford - als DEPUTY DIRECTOR vorgestellt, der voller Stolz über Ihr Fortkommen wacht? Und wie ist es jetzt? Sehen Sie ihn beschämt und erniedrigt durch Ihre Schande? Ihr Versagen? Das ach so bemitleidenswerte Ende einer so vielversprechenden Karriere? Sehen Sie sich selbst schon die niederen Dienste tun, auf die Ihre Mutter verwiesen war, nachdem die Drogensüchtigen Ihrem DADDY das Lebenslicht ausgeblasen hatten? Hmmmm? Wird sich Ihr Scheitern auf Sie auswirken, werden die Menschen auf ewig fälschlicherweise glauben, daß Ihre Eltern in Wohnwagen hausender weißer Abschaum waren, einzig und allein auf der Welt, um Tornados als Köder zu dienen? Sie dürfen sich mir ruhig anvertrauen, Special Agent Starling. Denken Sie für einen Augenblick einmal ernsthaft darüber nach, bevor wir weitergehen. Erlauben Sie mir nun, daß ich Ihnen eine Qualität vor Augen führe, über die Sie verfügen und die Ihnen helfen wird: Sie sind nicht blind vor Tränen, Sie haben die Zwiebeln dazu, um weiterzulesen. Hier nun eine kleine Übung, die sich unter Umständen als nutzbringend für Sie erweisen wird. Ich möchte, daß Sie für mich hier und heute folgendes tun: Haben Sie eine gußeiserne schwarze Bratpfanne? Sie sind ein Bauernmädchen aus dem Süden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie keine haben. Stellen Sie sie auf den Küchentisch. Schalten Sie die Deckenlampe ein.
Mapp hatte von ihrer Großmutter eine Bratpfanne vererbt bekommen, die sie oft benutzte. Sie verfügte über eine glänzende schwarze Oberfläche, die niemals mit Seife in Berührung kam. Starling stellte die Bratpfanne vor sich auf den Tisch.
Blicken Sie in die Bratpfanne, Clarice. Beugen Sie sich über sie, und schauen Sie hinein. Wenn das die Pfanne Ihrer Mutter wäre, und so, wie es aussieht, könnte sie es ja durchaus sein, dann hätte sie zwischen ihren Molekülen all die Gespräche bewahrt, die in ihrer Gegenwart geführt wurden. All die Wortwechsel, die kleinen Streitigkeiten, die todlangweiligen Offenbarungen, die platten Ankündigungen von Katastrophen, die Grunzer und poetischen Momente der Liebe. Setzen Sie sich an den Tisch, Starling. Schauen Sie in die Pfanne. Wenn sie sorgsam gepflegt worden ist, dann gleicht sie einer schwarzen Lache, habe ich recht? Fast könnte man meinen, man schaue in einen schwarzen Brunnen. Ihr genaues Ebenbild will sich auf dem Grund einfach nicht zeigen, aber Sie selbst rücken sich dort unten bedrohlich näher. Das Licht hinter sich, erscheinen Sie dort unten als das schwarze Gesicht Ihrer selbst, mit einer Corona, als ob Ihr Haar in Flammen stünde. Wir alle sind nur elaborierter Kohlenstoff, Clarice. Sie und die Pfanne und Daddy tot in der Erde, kalt wie die Pfanne. Es ist alles noch immer da. Hören Sie. Wie haben sie wirklich geklungen und gelebt Ihre sich abmühen den Eitern? Die konkreten Erinnerungen sind es, nicht die Imagines, die Ihnen das Herz so schwer machen. Warum war Ihr Vater kein Sheriff mit einem guten Draht zur Meute am Gericht? Warum hat Ihre Mutter auch dann noch in Motels saubergemacht, um Sie zu ernähren, als sie damit scheiterte, Sie beide zusammenzuhalten, bis Sie erwachsen geworden waren? Was ist Ihre lebhafteste Erinnerung an die Küche? Nicht ans Krankenhaus, an die Küche.
Meine Mutter, wie sie das Blut aus dem Hut meines Vaters wäscht.
Was ist Ihnen die schönste Erinnerung an die Küche?
Mein Vater, wie er mit seinem alten Taschenmesser mit der abgebrochenen Spitze Orangen schält und uns die Schnitze reicht.
Ihr Vater, Clarice, war ein Nachtwächter. Ihre Mutter war ein Zimmermädchen. War eine große Karriere im Dienst des Staates Ihre Hoffnung oder die Ihrer Eltern? Wie sehr hätte Ihr Vater in einer vermufften Bürokratie gebuckelt, um vorwärtszukommen? Wie vielen Leuten hätte er den Arsch geleckt? Hatten Sie ihn je in Ihrem Leben speichelleckend und katzbuckelnd vor Augen? Folgen Ihre Vorgesetzten in ihrem Handeln ethischen Grundsätzen, Clarice? Wie steht es mit Ihren Eltern, verfügten sie über moralische Prinzipien? Für den Fall, daß ja, gleichen diese denen Ihrer Vorgesetzten? Blicken Sie in das Eisen, dem Lug und Trug fremd
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