Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
Dr. Lecter, ein Anne Shingleton mit einem Anflug von Genialität in der anatomischen Gestaltung und wirklicher Hitze im Geschlechtsakt. Die anderen waren verhängt; ebenso die gräßliche Sammlung von Jagdszenen in Bronze. Früh am Morgen deckte der Doktor sorgfältig den Tisch für drei Personen, wobei er immer wieder, den Finger an die Nase gelegt, aus verschiedenen Perspektiven sein Werk begutachtete. Er wechselte zweimal die Kerzen und ging von damastenen Platzdeckchen zu einem gefalteten Tischtuch über, um die ovale Tafel auf eine für das Auge angenehmere Fläche zu verkleinern. Die dunkle und unmöglich aussehende Anrichte sah weniger nach einem Flugzeugträger aus, als hohes Vorlegeservice und glänzende Rechauds aus Kupfer auf ihr standen. Tatsächlich zog Dr. Lecter sogar einen Teil der Schubladen heraus und dekorierte die Öffnungen mit Blumen, was dem Ganzen ein wenig den Eindruck eines hängenden Gartens verlieh. Er bemerkte, daß er den Raum mit Blumen überfrachtet hatte und noch mehr hinzufügen mußte, um wieder die richtige Wirkung zu erzielen. Zuviel war zuviel, aber viel zuviel war genau richtig. Er entschied sich für zwei Blumenarrangements auf dem Tisch: ein kleines
Pfingstrosengesteck in einer silbernen Schale, weiß wie SNO BALLS, und ein riesiges, hohes Gebilde aus Muschelblumen, Iris, Orchideen und Papageientulpen, das den Tisch begrenzte und einen etwas intimeren Rahmen schuf. Ein kleiner Eissturm aus Kristall stand vor den Platztellern. Das Silberbesteck lag im Wärmer. Er würde es erst ganz zum Schluß auflegen. Der erste Gang würde am Tisch zubereitet werden, und entsprechend richtete er seinen Spirituskocher mit dem kupfernen fait-tout, die Kasserolle und die Sautierpfanne, seine Gewürze und seine Autopsiesäge. Das Zimmer konnte noch mehr Blumen vertragen, aber dazu mußte er noch einmal aus dem Haus. Clarice Starling war nicht beunruhigt, als er ihr mitteilte, daß er wegging. Er schlug vor, sie solle sich noch ein wenig schlafen legen.

KAPITEL 98
    Am Nachmittag des fünften Tages nach den Morden war Barney gerade mit dem Rasieren fertig und klopfte sich Rasierwasser auf die Wangen, als er Schritte auf der Treppe hörte. Es war fast an der Zeit für ihn, zur Arbeit zu gehen. Ein entschlossenes Klopfen. Margot Verger stand vor seiner Tür. Sie trug eine große Handtasche und eine kleine Aktentasche. »Hi, Barney.« Sie sah müde aus. »Hi, Margot. Komm doch herein.« Er bot ihr einen Stuhl am
Küchentisch an. »Wie war’s mit einer Coke?« Dann erinnerte er sich daran, daß irgend jemand Cordells Kopf in einen Kühlschrank gestoßen hatte, und bereute sein Angebot sofort wieder. »Nein, danke«, sagte sie. Er setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. Sie schaute ihm mit dem Blick des rivalisierenden Bodybuilders auf die Arme und dann zurück in sein Gesicht. »Bei dir alles in Ordnung, Margot?« »Ich glaube, schon«, sagte sie. »Sieht ganz danach aus, als ob du deine Sorgen los wärst, ich meine, nach dem, was man so in der Zeitung liest.« »Manchmal denke ich an unsere Gespräche, Barney. Und irgendwie kam mir dabei der Gedanke, daß du dich vielleicht bei mir melden könntest.« Er fragte sich, ob sie den Hammer in der Handtasche oder in der Aktentasche hatte. »Das einzige, was du vielleicht von mir zu hören bekommst, ist die Frage, wie es bei dir läuft, aber nur, wenn das für dich klar geht. Ich würde dich niemals um irgend etwas bitten, Margot. Zwischen uns ist alles cool.« »Es ist nur so, weißt du, man sorgt sich um lose Enden. Nicht, daß ich etwas zu verbergen hätte.« Da wußte er, daß sie den Samen hatte. Die Bekanntgabe der Schwangerschaft, das war es, worüber sie sich Sorgen machte, wenn sie an Barney dachte. »Ich meine, es war ein Geschenk des Himmels, sein Tod. Ich würde lügen, wenn ich etwas anderes behaupten würde.« Das Tempo in ihrer Rede zeigte Barney an, daß sie Spannung aufbaute. »Vielleicht nehme ich jetzt doch eine Coke«, sagte sie. »Bevor ich eine Coke für dich hole, laß mich dir etwas zeigen, was ich für dich habe. Glaub mir, ich kann all deine Bedenken zerstreuen, und es wird dich nicht einmal etwas kosten. Es dauert nur eine Sekunde. Bin gleich wieder da.« Er griff sich einen Schraubenzieher aus einer Werkzeugkiste auf der Ablage. Dafür brauchte er sich Margot gegenüber nur zur Seite zu drehen. An der Küchenwand hingen zwei Schaltkästen. In dem alten Gebäude war der neue neben den alten gesetzt worden, und nur der rechte

Weitere Kostenlose Bücher