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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Stoff passt ausgezeichnet zu Euren Augen«, murmelte Jost und kratzte sich am Hals.
    Henrike bemerkte seine Verlegenheit nicht. Sie legte den Stoff so behutsam ab, als sei er zerbrechlich.
    »Hab Dank, Jost. Diese Seide würde ich sehr gerne für mein neues Kleid nehmen«, sagte sie.
    Der junge Mann räusperte sich. Er wollte ihr nicht nur helfen, er wollte sie auch mit seinen Kenntnissen und seiner Weltgewandtheit beeindrucken. Vor allem wollte er ihre Begegnung noch ein wenig ausdehnen. »Ich würde das Oberteil schnüren und in Höhe Eurer Hüfte kleine Fältchen setzen lassen. Darüber könntet Ihr einen kleinen Gürtel aus Metallgliedern tragen, wie ich ihn neulich in Brügge gesehen habe. Euer Herr Vater könnte ihn mit Hornplättchen oder Edelsteinen verzieren lassen. Um welchen Anlass handelt es sich denn, Jungfer Henrike?«
    Ein letztes Mal ließ Henrike ihre Fingerkuppen über denStoffballen wandern. »Ich weiß es noch nicht«, antwortete sie, »aber es muss etwas ganz Besonderes sein.«
    ~~~
    Henrike sah noch einmal nach, ob die Fackeln vor dem Haus brannten und ob auf der Tafel in der hohen Diele bereits das beste Geschirr stand. Sie entdeckte die Hauskatze mit ihren zwei Jungen auf dem hellgrauen Steinboden aus Gotlandplatten und scheuchte sie liebevoll hinaus, die Herren könnten sich von den Tieren gestört fühlen. Jetzt war sie zufrieden, der Raum sah ebenso einladend wie würdig aus. Die Wandbemalungen und -behänge sprachen genauso vom Reichtum des Hausherrn wie die silbernen Kannen oder der mit Schnitzereien versehene Armlehnenstuhl ihres Vaters, der mit dem Abbild einer Kogge und zweier Männer geschmückt war und am Kopf der Tafel stand. Als kleines Mädchen hatte sie oft den Formen nachgespürt, den Gesichtern der Männer, dem Tierkopfsteven und der bewegten See. Der Schiffer und der Kaufmann sitzen in einem Boot, hatte Konrad Vresdorp damals erklärt, und nur, wenn sie zusammenhalten, kann der Handel erfolgreich vonstattengehen. Inzwischen wusste sie, dass das gleiche Motiv auch auf dem Wappen der Stadt Lübeck zu sehen war. Es war das Bild, das für die Grundfesten des Hansehandels stand.
    Aus der Dornse drangen die Stimmen der Männer zu ihr: der hitzige Tonfall ihres Onkels und die Antworten ihres Vaters, die stetig schärfer zu werden schienen. Überraschend war vor einer halben Stunde Hartwig Vresdorp eingetroffen. Was wollte ihr Vater mit seinen Gästen besprechen? Was hatte es mit ihr zu tun, und wofür brauchte sie das neue Kleid? Ihre Gedanken kreisten um diese Fragen, doch sie würde warten müssen, bis ihr Vater ihr mitteilte, was vor sich ging. Aber Warten fiel ihr schwer.
    Sie schnupperte nach dem Essen und wollte dem einladendenDuft aus der Küche eben folgen, als jemand den schweren Eisenklopfer an der Tür betätigte   – die Gäste kamen! Da sonst niemand in der Nähe war, ging Henrike, um zu öffnen. Jacob Plescow und Symon Swerting standen in ihren gediegenen Roben vor ihr, zwei der vier Bürgermeister Lübecks. Henrike knickste tief, die wichtigen Politiker schüchterten sie ein. Plescow hielt den Vorsitz auf Hansetagen und war ständig in diplomatischen Missionen zum Wohle der Stadt unterwegs; er war schmal und wirkte kränklich. Swerting hatte sich als Feldherr im Kampf gegen Waldemar von Dänemark hervorgetan. Sollten auch jetzt seine Kriegskünste gefragt sein? Er wirkte allerdings nicht sehr tatkräftig, die Augen waren glasig, und als er Henrike begrüßen wollte, nieste er stattdessen heftig in seinen Ärmel.
    Jacob Plescow würdigte sie kaum eines Blickes. Henrike glaubte schon, dass er sie für eine Dienstmagd hielt, da sprach er sie mit ihrem Namen an und forderte sie auf, sie zu ihrem Vater zu bringen. Die junge Frau ging den Gästen voraus und klopfte an die Schreibkammer. Ihr Onkel stürzte heraus und begrüßte mit unbewegter Miene die Bürgermeister. Hartwig Vresdorp musste gehen. Er stammte zwar auch aus Wisby, gehörte diesem kleinen elitären Zirkel aber dennoch nicht an; warum, wusste Henrike nicht.
    Ihr Vater hieß die Männer willkommen. Auf seiner Stirn zeichnete sich eine tiefe Zornesfalte ab, die er mühsam wegzulächeln versuchte. Konrad Vresdorp und sein Bruder waren in Geschäftsdingen nicht immer einer Meinung, das hatte sie schon oft bei Familienzusammenkünften mitbekommen, aber dass ihr Vater sich derart aufregte, war ungewöhnlich.
    Henrike sorgte dafür, dass gewürzter Wein ausgeschenkt und das Essen aufgetragen wurde. Sie zeigte sich

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