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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Ratzeburg, und immer wieder war die Rede von Dänemark. Sie sollte wirklich hier verschwinden und es sich in ihrem Alkoven gemütlich machen. Die Augen fielen ihr zu. Aber vielleicht würde sie ja doch noch etwas hören, dass sie betraf. Sie wollte warten, nur noch einen Moment, einen winzigen Moment   ...
    Mit einem Ruck wurde die Luke geöffnet. Henrike schrak aus dem Schlaf, das Kätzchen fauchte, krallte sich schmerzhaft in ihren Schoß und sprang fort. Henrike rutschte ab und polterte die Stufen hinunter auf den Boden. Sie stöhnte, als sie hart auf Rücken und Seite landete, sah sich verwirrt um. Was war los, wo war sie? In ihrem Bett war sie nicht. Ihr war bitterkalt, sie hatte ihr Kleid noch an. Über ihr flackerte Licht. Sie kniff die Augen zusammen. Eine große Hand, eine tiefe Stimme. Ihr Vater. Mit einem Mal war ihr Kopf wieder klar. Was war ihr nur eingefallen?
    Konrad Vresdorp zog sie durch die Luke zu sich hoch in die Schreibkammer. Sein Gesicht glänzte rot, er sah sie erzürnt an. »Du kannst froh sein, dass das Gespräch so gut verlaufen ist, sonst würde es jetzt eine Tracht Prügel setzen. So eine Dummheit lasse ich nicht einmal meiner Tochter durchgehen!«, schimpfte er. »Was für ein Glück, dass Symon Swerting vom Hin- und Herreisen so erschöpft war und seine Erkältung ihm auf die Ohren geschlagen ist, sonst hätte er gewiss gehört, wie du an der Türe rumort hast. Mit seinem Schwert hätte der wehrhafte Bürgermeister den vermeintlichen Spion sogleich angegriffen! Hast du nicht gelernt, was die obersten Kaufmannstugenden sind, du dummes Ding?«
    Henrikes Lippen bebten vor Kälte, als sie sprach: »Vertrauen, Ehre, Glauben.«
    »Ere und geloven   – Ehrbarkeit und Kreditwürdigkeit, das ist das Wichtigste. Und dann natürlich Vertrauen, richtig. Aber wie soll man mir vertrauen, wenn man fürchten muss, dass in meinem Haus ein Lauscher hinter der Wand sitzt? Wir kommen eigens hier zusammen und nicht im Rathaus, wo die Wände Ohren haben. Und du hast nichts Besseres zu tun, als uns zu bespitzeln?«
    Henrike wollte sich entschuldigen. »Ich habe nicht nachgedacht. Ich wollte nur   ...«
    »Nur was?«, fragte Konrad Vresdorp streng.
    Ihr Blick verschwamm. »   ... nur herausfinden, was es mit dem Kleid auf sich hat. Und dem Besuch.« Er sah sie verständnislos an, also setzte sie hinzu: »Das neue Kleid. Für mich. Und um welchen wichtigen Hausgast es sich handelt.«
    Ihr Vater wirkte, als habe er einen Frosch verschluckt, dann begann er zu lachen, leise erst, dann so laut, dass Henrike meinte, alle Hausbewohner müssten zusammenströmen, um zu ergründen, was es mit diesem Gelächter auf sich hatte.
    »Das Kleid. Der Besuch.« Er gluckste. Wenn er lachte, konnte sein Zorn so schlimm nicht sein, dachte sie und wischte sich fahrig mit den zitternden Fingern über die Lider. Jetzt erst bemerkte er, wie es um sie stand.
    »Komm herein, Kind, du hast ja ganz blaue Lippen. Ich werde dir einen Wein einschenken, der wird dich wärmen.« Fürsorglich legte Konrad Vresdorp den Arm um seine Tochter. Er schob sie in die Schreibstube, griff zur Kanne und füllte ein Noppenglas.
    Henrike ließ sich auf einen Schemel sinken und trank einen Schluck. Der Wein war würzig und stark, er brannte in ihrem Magen. Konrad Vresdorp zog einen Stuhl heran und streckte wohlig die Beine aus. Eine Zeit lang schwiegen sie. Henrike sammelte sich, indem sie in Gedanken die Rankenmalereien an den Deckenbalken nachzeichnete und ihren Blick weiter durch den Raum schweifen ließ. Die Dornse war Vaters Reich, voll von Hilfsmitteln des Handels und Erinnerungsstücken an seineReisen. Da waren der Rechenteppich und der Goldprobierstein, die Metallsiegel und das Kästchen mit der Reisewaage. Auf dem Schränkchen an der Wand lehnte Vaters kleines Gemälde des heiligen Christophorus, das er stets in Ehren hielt. Der Schutzheilige der Reisenden halte auf allen seinen Wegen die Hand über ihn, sagte Konrad Vresdorp oft. Auf dem Tisch stand seine große, eisenbeschlagene Brieflade, daneben lag eines der dicken, eng beschriebenen Handelsbücher. Henrike hatte Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt, wie es sich für eine Kaufmannstochter gehörte. In den Handelsbüchern reihten sich jedoch oft seitenlang seltsame Zeichen, Abkürzungen und Zahlen aneinander, es war wie eine Art Geheimschrift.
    »Kaiser Karl stattet Lübeck einen Besuch ab«, sagte ihr Vater unvermittelt.
    »Der Kaiser? Welche Ehre!«, rief sie aus und sah ihren Vater

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