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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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auch deshalb so hilfsbereit, weil sie gerne zuhören wollte, doch ihr Vater schickte sie fort, also zog sie sich folgsam zurück. Zu gerne hätte sie bei der Unterredung Mäuschen gespielt, doch das schien unmöglich. Kribbelig überlegte sie. War es das wirklich? Es gab eine kleine versteckte Tür, die von der Schreibkammer in den Keller führte und durch deren Ritzen sie vielleicht etwas aufschnappen konnte. Einen Versuch war es wert, immerhin ging es auch um ihre Zukunft. Sie wollte schon dorthin schleichen, als ihre alte Amme Margarete sie zu sich rief.
    Die heißen, duftenden Dämpfe in der Küche nahmen ihr fast den Atem, es roch nach Rosmarin und anderen Kräutern. Margarete stand tief über den Topf gebeugt und rührte heftig. Sie war eine kleine dicke Frau, mit kräftigen Armen und einem freundlichen, pfannkuchenplatten Gesicht. Als Henrike eintrat, sah sie auf. Ihr Kopftuch klebte feucht an der Stirn.
    »Mehr un mehr Bettler sind dat, kaum levendlich sind se«, schnaufte sie in breiter Mundart. Margarete verband ein mitfühlendes Herz mit einem klaren Sinn. Sie organisierte den Haushalt so, dass genügend Almosen für die Bettler übrig blieben, ohne dass es zu arg zu Buche schlug. »Heute ist wieder eine junge Frau mit einem Neugeborenen dabei.« Henrike merkte auf.
    »Eine Frau mit einem Neugeborenen? Die wollen wir nicht noch länger in der Kälte stehen lassen. Du hast doch sicher schon etwas beiseitegelegt?«
    Margarete wechselte den Löffel in die andere Hand, schüttelte den Arm aus   – sie schlug wohl eine Nachspeise, wie verlockend!   – und zeigte dann auf eine Schale mit Brot und Wurst. Henrike nahm die Lebensmittel und öffnete die Pforte, und gleich reckten Hände sich ihr entgegen. Viele Gesichter kannte sie bereits. Die junge Frau stand am Rande, sie drängelte nicht wie die anderen. Das Kind hatte sie mit einem Tuch an ihren Leib gebunden. Henrike verteilte ihre Gaben, behielt für die Frau aber ein Stück Brot und etwas Wurst zurück. Sie machte der Bettlerin ein Zeichen, damit diese näher kam, und reichte ihr die Speisen. Die anderen Wartenden zogen murrend davon, weiter, zum nächsten Herrenhaus.
    »Danke für alles. Gott schütze Euch«, sagte die Bettlerin zaghaft und steckte das Essen umständlich in ihr Gewand.
    »Habt ihr eine Unterkunft gefunden?«, fragte Henrike. Die Frau nickte stumm. Henrike konnte Kummer in ihren Augen lesen, Kummer, für den die Bettlerin keine Worte fand.
    »Kommt wieder, bis es euch besser geht. Ich werde jeden Tag für dich und das Kind etwas zurückhalten«, versprach Henrike. Als sie die Pforte schloss und in die Wärme des Hauses zurückkehrte, spürte sie Dankbarkeit, aber auch Scham. So viele Menschen wussten nicht, wie sie den nächsten Tag überstehen sollten   – und ihre größte Sorge war es, herauszufinden, für welchen Anlass sie ein neues Kleid bekommen sollte! Und dennoch konnte sie nicht widerstehen.
    Sie schlich die Treppe hinunter und durch den Balkenkeller in den Gewölbekeller, der zur Straße lag und zum Verkauf der Waren genutzt wurde. Es war dunkel, langsam tastete sie sich durch die engen Gänge zwischen den Warenstapeln. Sie roch Wein und andere Güter, die kühl gelagert werden mussten. Bald sah sie in Brusthöhe ein fadendünnes Rechteck aus Licht. Sie hatte die Steige zu der kleinen Lastentür an der Schreibkammer erreicht. Kaum hatte sie sich auf den schmalen Vorsprung gesetzt, da hörte sie leises Trappeln und Maunzen. Ein Kätzchen schlich heran, sprang die Stufen hoch und legte den Kopf schief. Es war eines der Jungen, schwarz mit einem weißen Ohr. »Schscht«, machte Henrike leise. Das Kätzchen verstand das offenbar als Aufforderung. Es kam näher, hüpfte auf ihren Schoß und maunzte. Henrike wollte es wegscheuchen, andererseits tat die Gesellschaft des kleinen Wesens ihr gut, und so begann sie, es zu kraulen, während sie ihren Kopf an die Holztür legte.
    Gedämpft vernahm sie die Geräusche. Es dauerte eine Weile, bis sie einzelne Stimmen und Wörter heraushören konnte. Es ging um Flandern, um England und um eine Reise ins dänische Falsterbo, um Reiter und Fahnen und einen wichtigen Boten. Alldas ergab für sie keinen richtigen Sinn. Dennoch war es interessant zuzuhören, wenn auch irgendwie   ... ermüdend. Das Kätzchen hatte sich längst auf ihrem Schoß eingerollt und schlief, und auch Henrike musste gähnen. Ihr Vater sprach über Geschäfte mit Brügge, Plescow erwähnte Tangermünde, den Bischof von

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