Happy End am Mittelmeer
im Flur stehen lassen. Von dort hatte sie den Gastgeber im Wohnzimmer mit einer Frau tanzen und dabei leicht taumeln sehen, als hätte er sich entweder frisch verliebt oder zu viele Rum-Cocktails getrunken. Deshalb hatte sie entschieden, sich unauffällig zu entfernen. Schließlich war sie in das Fernsehzimmer geschlüpft, wo sie die Schublade entdeckte, die sie als Bettkästchen für Cici nutzte.
„Ich erinnere mich nicht, Sie eingeladen zu haben“, wandte David kühl ein.
„Ich habe mich selbst eingeladen.“ Sie hob ihr Kinn noch höher. „Nur weil Sie mich nicht bemerkt haben, bin ich noch lange keine Kriminelle.“
Er verbiss sich die scharfe Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Wenn er herausfinden wollte, was wirklich vor sich ging, musste er ihr Vertrauen gewinnen. Er durfte sie nicht in die Defensive drängen.
Und er wollte die Zusammenhänge nicht nur aus reiner Neugier herausfinden, sondern vor allem, weil es mit Ambria zu tun hatte. Aus einem unerfindlichen Grund war aus heiterem Himmel eine junge Frau aus seiner Heimat bei ihm aufgetaucht. Warum?
„Sorry, tut mir leid“, entschuldigte er sich schroff. Er atmete tief durch und beruhigte sich wieder, als sein Blick auf das Baby fiel. In seiner großen Adoptivfamilie hatten viele kleine Kinder gelebt. Sie schreckten ihn nicht. Sie machten nur oft einfach zu viel Arbeit.
„Hören Sie, lassen Sie uns ins Wohnzimmer gehen. Dann können wir alles bereden, ohne Ihre Kleine zu wecken.“
„Einverstanden. Aber ich weiß nicht, ob ich Cici nicht besser mitnehmen sollte, statt sie hier allein zu lassen“, gab sie zu bedenken. Cici war praktisch immer bei ihr, seit Sam sie an diesem Regentag in Texas bei ihr zurückgelassen hatte. Das schien ihr jetzt schon eine gefühlte Ewigkeit her, dabei war nicht einmal eine Woche vergangen. „Sehen Sie sich die Kleine an. Jetzt schläft sie wie ein Engelchen“, flüsterte sie und musste plötzlich lächeln. Cici in der Schublade sah so süß aus.
„Wie alt ist die Kleine?“
Das war eine weitere Frage, die sie nicht sicher beantworten konnte. Sam hatte ihr keine Papiere dagelassen, nicht einmal eine Geburtsurkunde.
„Sie heißt Cici“, bemerkte Ayme, um Zeit zu gewinnen.
„Schöner Name. Also, wie alt ist die Kleine?“
„Ungefähr sechs Wochen“, gab sie an und versuchte vergeblich, sicher zu klingen. „Vielleicht zwei Monate.“
Er starrte sie an. ‚Skeptisch‘ war für seinen Gesichtsausdruck eine noch zu milde Beschreibung.
Sie strahlte ihn an. „Schwer zu merken. Die Zeit vergeht.“
„Stimmt.“
Nach kurzem Zögern – Cici würde sicher schreien, wenn ihr etwas fehlte – verließ Ayme mit David den Raum. Auf dem Weg zum Wohnzimmer griff er sich ein Hemd aus dem Dielenschrank, zog es an, knöpfte es aber nicht zu. Sie drehte sich schnell weg, damit er nicht merkte, wie gebannt sie ihn angesehen hatte, und erblickte ein bodentiefes Panoramafenster mit einer traumhaften Aussicht.
Atemlos ging sie darauf zu. Es war vier Uhr morgens, aber überall glitzerten noch die Lichter der Großstadt. Autos fuhren über die Avenues, ein Flugzeug schwebte mit blinkenden Positionslichtern durch den Nachthimmel. Doch was sie mit einem Mal vollkommen verwunderte, waren die vielen Menschen, die sie trotz der frühen Morgenstunde unten auf der Straße sah und die ihrem gewohnten Leben nachgingen. Alles schien ganz normal. Aber es war nicht wie immer. Die Welt war vor einigen Tagen aus den Angeln gehoben worden. Nichts würde je wieder so sein, wie es gewesen war. Wussten diese Leute das nicht?
Für einen Moment wünschte sie sich sehnsüchtig, auch zu diesen Ahnungslosen zu gehören, in einem glänzenden Auto durch die Nacht zu fahren, einer Zukunft entgegen, die nicht so viel Kummer für sie bereithielt wie die, die sie nach ihrem Abenteuer in Großbritannien erwartete.
„Wow. Von hier können Sie fast ganz London überblicken, nicht wahr?“ Sie presste die Nase förmlich an die Scheibe.
„Nicht ganz“, antwortete er und blickte auf die Lichter der Stadt. Hier war sein Lieblingsplatz. Von hier konnte er auch das repräsentative Bürogebäude in der Innenstadt sehen, von wo aus er die britische Filiale der Reederei seines Adoptivvaters leitete. „Aber die Aussicht ist wirklich spektakulär.“
„Und wie!“ Sie stand mit ausgebreiteten Armen, Hände und Gesicht gegen die Scheibe gepresst, um sich alles genau anzuschauen, und fast schien es, als wolle sie selbst gleich losfliegen. „So große
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