Happy End auf Sizilianisch
Geschwindigkeit – weshalb sie ihre Freunde derart häufig wechselte, dass sie sich kaum die Namen merken konnte.
Doch Heather kannte Angie zu gut, um nicht zu wissen, dass ihre Beziehungen vor allem deshalb so kurzlebig waren, weil ihre ganze Liebe dem Beruf galt. Und auch wenn man es der zierlichen Frau auf den ersten Blick nicht zutrauen mochte, handelte es sich bei ihr um eine ebenso zielstrebige wie erfolgreiche Ärztin, die bei Kollegen und Patienten gleichermaßen beliebt war.
Den Flug nach Palermo trat sie vor allem deshalb an, um ihre beste Freundin zu deren Hochzeit mit Lorenzo Martelli, einem jungen Sizilianer, zu begleiten. Dass sie darüber hinaus entschlossen war, den ersten Urlaub seit Langem in jeder Hinsicht zu genießen, stand außer Frage.
“Hast du nicht erzählt, dass dein Verlobter zwei Brüder hat?”, fragte sie kurz nach dem Start, und ihr schalkhaftes Lächeln bestätigte Heather in ihrer Vermutung.
“Ja, er hat zwei Brüder”, erwiderte sie lachend, “aber ich kenne bisher auch nur den ältesten, Renato.”
“Ist das nicht der Flegel, der sich dir gegenüber als Kunde ausgegeben hat, um herauszufinden, ob du auch gut genug für seinen kleinen Bruder bist?”
“Dass er sich einen Eindruck von mir verschaffen wollte, werfe ich ihm nicht vor”, erwiderte Heather. “Nur die Art und Weise hat mir ganz und gar nicht gefallen.”
Bis zu ihrer Verlobung vor ziemlich genau einem Monat hatte Heather in der Parfümerieabteilung des
Gossways
, Londons führendem Kaufhaus, als Verkäuferin gearbeitet. Renato, Lorenzos ältester Bruder und Oberhaupt der Familie Martelli, hatte sie – unter einem Vorwand und ohne sich zu erkennen zu geben – dort aufgesucht und sie mit Fragen, Andeutungen und Angeboten konfrontiert, die, milde ausgedrückt, ziemlich indiskret gewesen waren.
Als Lorenzo sie am selben Abend ins Ritz geführt hatte, um ihr seinen Bruder vorzustellen, war es prompt zu einem Eklat gekommen. Renato hatte die Wahl seines Bruders zwar akzeptiert, sich dabei jedoch so selbstherrlich aufgeführt, dass Heather entrüstet aus dem Hotel geeilt war.
Bei dem Versuch, sie zurückzuhalten, war Renato vor ein Auto gelaufen und schwer verletzt worden. Noch im Krankenhaus hatte Lorenzo um Heathers Hand angehalten, und unter dem Eindruck der dramatischen Ereignisse hatte sie spontan Ja gesagt.
“Was weißt du eigentlich über den anderen Bruder?”
“Nicht viel”, musste Heather zugeben. “Er ist der Mittlere der drei und heißt Bernardo. Genau genommen ist er ein Stiefbruder. Seine Mutter war die langjährige Geliebte seines Vaters. Beide sind bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Lorenzos Mutter Baptista hat das Waisenkind bei sich aufgenommen und es wie einen eigenen Sohn großgezogen.”
“Donnerwetter!” Angie war offensichtlich beeindruckt von Heathers zukünftiger Schwiegermutter. “Das zeugt von Größe.”
“Allerdings”, stimmte Heather ihrer Freundin zu. “Ich kann nur hoffen, dass sie mich genauso herzlich in die Familie aufnimmt.”
“Bestimmt wird sie das.” Angie warf Heather einen aufmunternden Blick zu. “Außerdem willst du ja nicht sie, sondern Lorenzo heiraten”, setzte sie lächelnd hinzu. “So ganz kann ich es allerdings immer noch nicht glauben. Schließlich kennst du ihn erst wenige Monate, und das Abenteuer, sich auf ein fremdes Land und eine fremde Sprache einzulassen, hätte eher zu mir als zu dir gepasst.”
Auch wenn sie es diplomatisch formulierte, war die Anspielung auf Peter nicht zu überhören. Insgeheim schien Angie zu befürchten, dass sich Heather zu der überstürzten Hochzeit mit Lorenzo hatte hinreißen lassen, weil sie immer noch darunter litt, dass ihr früherer Verlobter sie eine Woche vor der Hochzeit verlassen hatte.
“Ich weiß genau, was ich tue”, erwiderte Heather bestimmt. “Jedenfalls heirate ich Lorenzo nicht, um Peter zu vergessen, sondern weil ich ihn liebe. Und auf das neue Leben, das mich erwartet, freue ich mich genauso wie auf ihn.”
Wenig später konnte Heather aus dem Flugzeugfenster zum ersten Mal einen Blick auf ihre zukünftige Heimat werfen. Eingebettet ins tiefe Blau des Mittelmeeres, tauchte unter ihnen die grüne Stiefelspitze Italiens auf, wie Sizilien auch genannt wurde.
Nach der Landung in Palermo gingen die beiden Freundinnen zum Gepäckband, und während Angie auf die Koffer wartete, konnte sie beobachten, wie ein großer und gut aussehender junger Mann mit lockigem braunen
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