Happy End fuer Harriet
fuhr er fort. “Welche Frau würde hinter einem Mann her schmachten, der ihr keinerlei Hoffnung macht? Lavinia lebt sozusagen in einem paradiesischen Wolkenkuckucksheim.”
“Sie ist sehr unglücklich”, widersprach Harriet bestimmt. “Und das hat herzlich wenig mit dem Paradies zu tun.”
“Sie wird es überstehen”, gab er ungerührt zurück und fügte mit einem plötzlichen Grinsen hinzu: “Wie ich höre, will Ihre Schwester sie völlig neu einkleiden.”
Trotz der harschen Worte spürte Harriet, dass der alte Mann sich insgeheim grämte. Spontan griff sie nach seiner Hand und streichelte sie sacht. “Mich können Sie nicht täuschen, Sir”, sagte sie. “Meine Schwester und ich werden alles tun, was wir können, um zu helfen.”
“Immer müssen Sie sich einmischen”, grollte er, “ob es mir nun passt oder nicht. Tun Sie, was Sie nicht lassen können.”
Harriet spürte seine unterschwellige Erleichterung, die er natürlich niemals zugegeben hätte. Sie sah, dass er sehr müde war. Welch eine schwere Last musste er mit sich herumgetragen haben, bevor er endlich offen über Gervase Calcott hatte sprechen können.
Harriet war nicht überrascht, Hugh in der Halle anzutreffen, wo er offenkundig auf sie gewartet hatte. Wortlos zog er sie in das helle Kerzenlicht eines Kandelabers und sah ihr aufmerksam ins Gesicht.
“Was ist los, Harriet?” wollte er wissen.
“Ich befürchte, es war sehr unbedacht von mir, Mr Calcott zu erwähnen. Der Duke fühlte sich genötigt, mir von der Vaterschaft zu erzählen.”
Lord Ashby führte sie in die Bibliothek und schloss die Tür. “Sie haben das Geheimnis erraten, vermute ich?”
“Ja, heute Morgen. Als er den Kopf in einem bestimmten Winkel neigte, traf mich seine große Ähnlichkeit mit dem Duke wie ein Blitz. Es gibt keine andere Möglichkeit, als dass er dessen Sohn ist.”
“Sie irren, Harriet. Der Duke ist nicht Calcotts Vater.”
“Aber … Das verstehe ich nicht. Er hat doch die familiäre Verbindung bestätigt.”
“Gervase ist Augustas Sohn. Nachdem der Duke so offen mit Ihnen gesprochen hat, kann ich Ihnen den Rest der Geschichte ebenfalls anvertrauen.”
“Ich glaube Ihnen nicht. Sie wollen lediglich den Duke schützen.” Harriet schüttelte entschieden den Kopf.
“Der alte Mann braucht meinen Schutz nicht”, versetzte Hugh. “Und warum sollte ich Augustas Namen derart verunglimpfen? Setzen Sie sich, meine Liebe. Ich werde Ihnen die wenig erfreulichen Ereignisse schildern.”
Wie betäubt ließ sich Harriet auf einem Stuhl nieder, während Hugh begonnen hatte, ruhelos hin und her zu gehen.
“Augusta war sechzehn Jahre alt”, begann er, “als sie sich in einen Taugenichts verliebte. Der Duke erkannte sofort den gewieften Mitgiftjäger in ihm und jagte ihn davon, doch Augusta war schon damals sehr von sich überzeugt und glaubte felsenfest daran, dass der Bursche sie aufrichtig liebte und es nicht auf ihre Mitgift abgesehen hatte.”
“Sprechen Sie weiter”, bat Harriet, als Hugh sie fragend ansah.
“Er verführte Augusta und überzeugte sie davon, dass ihr Vater im Falle einer Schwangerschaft seinen Segen zu der Verbindung geben würde, doch da kannte er den Duke schlecht.”
“Was geschah weiter?”
“Er zwang den Burschen, das Land zu verlassen. Augusta schickte er bis zu ihrer Niederkunft nach Yorkshire. Da sie noch ein Schulmädchen war, fiel ihre Abwesenheit in den gesellschaftlichen Kreisen nicht weiter auf.” Hugh sprach ruhig und besonnen. Der neckende Tonfall, den er Harriet gegenüber sonst anschlug, war verschwunden.
“Der Duke ist ganz anders, als die meisten Menschen denken”, erzählte er weiter. “Statt sowohl seine Tochter als auch ihr Kind zu enterben, nahm er beide in seinem Haus auf. Mehr noch: Er ließ jeden, einschließlich seiner Gattin, der man Augustas Fehltritt hatte verheimlichen können, in dem Glauben, Gervase sei sein eigener Sohn. Das führte verständlicherweise zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen ihnen, und es dauerte Jahre, bevor die Duchess ihm verzieh. So ist auch der große Altersunterschied zwischen George und Lavinia zu verstehen.”
“Wo ist die Duchess jetzt?” wollte Harriet wissen.
“Kurz nach Piers’ Geburt verließ sie den Duke wegen eines anderen Mannes. Ich glaube, sie lebt irgendwo in Portugal. Und nun verstehen Sie auch gewiss, warum der Duke keine besonders gute Meinung von den weiblichen Mitgliedern seiner Familie hat.” Hugh lächelte bitter.
Harriet saß
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