Happy End fuer Harriet
den anderen Kindern hier auf. Und unter normalen Umständen wird ein Anwalt nicht zum Dinner mit der Familie eingeladen oder in die aristokratischen Kreise gebeten.”
“Du wirfst nur deine dummen Vorurteile in die Waagschale.” Elizabeth konnte und wollte nicht glauben, dass Harriet recht hatte.
“Lord Ashby kennt das Geheimnis auch, doch es wäre sehr geschmacklos, ihn darauf anzusprechen”, überlegte Harriet laut. “Es ist die private Angelegenheit des Duke. Ich habe versprochen, ihm heute Abend ein Weilchen Gesellschaft zu leisten. Vielleicht ergibt sich dann eine Möglichkeit …”
Elizabeth geriet in helle Aufregung. “Harriet, du darfst ihn auf gar keinen Fall direkt mit dieser delikaten Angelegenheit konfrontieren. Er ist ein sehr kranker Mann, und ich könnte es nicht ertragen, wenn er durch unsere Schuld einen Rückfall erleiden würde.”
“Vertrau mir”, bat Harriet. “Ich werde ganz beiläufig Calcotts Namen erwähnen und dann genau aufpassen, wie der Duke darauf reagiert.”
Es war Hugh, der Harriet auf ihr Klopfen hin die Tür zu den Gemächern des Duke öffnete. Zum Abendessen hatte er sich nicht blicken lassen, und überrascht sagte sie jetzt zu ihm: “Ach, hier sind Sie also.”
“Haben Sie mich etwa vermisst?” raunte er ihr zu. In dem Halbdunkel schimmerten seine Zähne schneeweiß. “Ich fühle mich sehr geschmeichelt.”
“Dazu besteht nicht der geringste Anlass”, erwiderte sie. “Ich bin hier, um dem Duke einen Besuch abzustatten.”
“Stehen Sie da nicht an der Tür herum, Mädchen”, erklang die krächzende Stimme des alten Mannes. “Sie sind also nicht vom Blitz getroffen worden?”
“Nein, Sir, bisher noch nicht”, gab Harriet zurück, ging zu ihm und gab ihm einen leichten Kuss auf die Stirn.
“Was machen Sie denn da? Ihre beachtlichen Verführungskünste sollten Sie bei Ashby ausprobieren. Er passt besser zu Ihnen als ich.”
Harriet lächelte liebevoll. “Lord Ashby kann einem Vergleich mit Ihnen nicht standhalten, und das wissen Sie ganz genau.”
Der alte Mann lachte amüsiert, was sofort zu einem Hustenanfall führte. Während sie geduldig abwartete, dass sich der Duke erholte, warf sie Hugh einen kühlen Blick zu. Sie wünschte, er würde den Raum verlassen, doch stattdessen blieb er ruhig sitzen.
“Sie und Ashby würden ein fantastisches Paar abgeben”, erklärte der Duke, nachdem der Hustenanfall abgeklungen war. “Sie wäre eine ständige Herausforderung für dich, mein Junge.”
“Das glaube ich auch.”
“Nun, junge Dame, was haben Sie heute angestellt? Wie ich hörte, haben Sie sich wieder im Wasser getummelt.”
Harriet sah angelegentlich auf ihre im Schoß gefalteten Hände, als sie sagte: “Ja, Euer Gnaden. Das Unwetter ist mit voller Wucht über uns hereingebrochen. Ich könnte nicht sagen, wer von uns vier Reitern, nämlich Lavinia, Piers, Mr Calcott und ich, am schlimmsten ausgesehen hat.”
Sie schaute auf, doch der Duke hatte bei ihren Worten keine Miene verzogen. “Hugh, würdest du bitte Piers sagen, dass ich ihn zu sprechen wünsche?” wandte er sich an Lord Ashby, der sich sogleich erhob, um dem Wunsch nachzukommen.
“Sie sind schnell im Kombinieren, nicht wahr?” brach der Duke das unangenehme Schweigen, und Harriet erschrak.
“Und nun erwarten Sie wohl von mir, dass ich die ganze Geschichte schlichtweg leugne? Nun, da irren Sie.”
“Nein, Sir, das habe ich nicht erwartet. Ihre Familienangelegenheiten gehen mich nichts an. Ich dachte nur …”
“Sie machen sich Sorgen um das dumme Ding Lavinia.”
“Sie ist sehr angetan von Mr Calcott.”
“Ist mir bekannt. Ich weiß nämlich ganz genau, was in diesem Hause vor sich geht. Meine Tochter ist ein unreifes, ängstliches Mädchen mit einem Spatzenhirn. Doch ich kann Sie beruhigen: Sie befindet sich nicht in Gefahr, denn Calcott kann und wird niemals um sie anhalten.”
“Sie sprechen sehr hart über Ihre jüngste Tochter”, bemerkte Harriet sanft. “Sind Ihnen Lavinias Gefühle vollkommen gleichgültig?”
Der Duke machte eine wegwerfende Handbewegung. “Wenn sie sich bei mir ausheulen will, werde ich ihr unmissverständlich klarmachen, was sie zu tun und zu lassen hat. Es hat keinen Sinn, ihr die ganze Wahrheit zu erzählen, denn dann würde sie in ihrer verweichlichten Art vollends zusammenbrechen.”
Harriet wusste nicht, was sie sagen sollte. Der Duke schien in seiner Meinung über Lavinia unerbittlich zu sein.
“Sie ist ein dummes Ding”,
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