Happy End in Lindholm: Mittsommerträume (German Edition)
genau bei diesem Thema bereits in Streit geraten, aber immerhin hatte Gunnar sie um Rat gebeten, also musste er sich auch anhören, was sie zu sagen hatte. “Seit dem Tod ihrer Mutter, der für sie zweifelsohne ein traumatisches Erlebnis gewesen ist, kümmern sich fremde Menschen um Ann-Sofie. Sie hat niemanden, dem sie wirklich vertraut. Keine Bezugsperson.”
“Aber sie hat doch mich”, widersprach Gunnar.
“Ist das wirklich so?”
“Sie denken, Ann-Sofie fühlt sich von mir abgeschoben?” Er schüttelte den Kopf. “Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Sie hat nie etwas in der Richtung angedeutet.”
“Du liebe Güte, was erwarten Sie denn? Die Kleine ist acht Jahre alt, sie sieht die Dinge noch ein wenig anders als wir Erwachsenen. Sie hat ihre Mutter verloren. Ihr Vater, den sie im Moment am nötigsten braucht, vergräbt sich in Arbeit und engagiert Kindermädchen und Erzieherinnen, um sich nicht selbst mit ihr beschäftigen zu müssen.”
Abrupt blieb Gunnar stehen. “Was reden Sie denn da?” Ärgerlich funkelte er sie an. “Sie verdrehen ja vollkommen die Tatsachen. Ich versuche nur, das Beste für meine Tochter zu tun. Verstehen Sie das nicht?”
Louisa schaute ihn ernst an. “Es kommt nicht darauf an, ob
ich
Sie verstehe – Ann-Sofie ist diejenige, die Sie überzeugen müssen. Und Ihrer Sekretärin die Erziehung zu überlassen, kann wohl kaum der richtige Weg sein.”
“Sie denken also auch, dass ich ein schlechter Vater bin, ja?” Gunnar wirkte jetzt eher traurig als wütend. “Lars, mein jüngerer Bruder, liegt mir auch ständig in den Ohren, dass ich mich weniger auf meine Arbeit und dafür mehr auf meine Tochter konzentrieren sollte. Aber wie soll ich das alles machen? Um ein Kind großzuziehen, ihm etwas bieten zu können, braucht man Geld – und das liegt nun einmal nicht auf der Straße. Die Geschäftswelt nimmt keine Rücksicht auf persönliche Herausforderungen. Ich kann meinen Kunden schlecht sagen, dass ich vereinbarte Termine nicht einhalten kann, weil ich mich um meine Tochter kümmern muss. Das wäre das Ende für meine Agentur!”
Er wirkte so verzweifelt, dass Louisa fast Mitleid mit ihm bekam – aber eben nur fast. Die Art und Weise, wie er seine Geschäfte handhabte, erinnerte sie zu sehr an ihren Vater, ebenso wie die Tatsache, dass die Arbeit für ihn stets an erster Stelle zu stehen schien. Außerdem nahm sie es ihm nach wie vor übel, dass er ihr verheimlicht hatte, unter welchen Bedingungen ihr Vater zu einer Zusammenarbeit mit ihm bereit war.
“Ich nehme doch an, das Glück ihrer Tochter ist Ihnen wichtiger als der Erfolg Ihrer Firma. Außerdem …”
In dem Moment kam Ann-Sofie auf sie zugelaufen. Tränen liefen ihr über die Wangen.
“Pappa! Pappa!
”, rief sie aufgeregt. “Louisa!”
Gunnar beugte sich zu seiner Tochter hinunter. “Was ist denn los, Schatz?”, fragte er beunruhigt “Warum weinst du denn?”
“Tafsa”, stieß Ann-Sofie aus. “Er ist verschwunden!”
6. KAPITEL
O hne zu zögern ergriff Gunnar die kleine Hand seiner Tochter. “Helfen Sie uns?”, bat er Louisa. “Sie kennen sich mit Tieren aus. Mit Ihrer Unterstützung finden wir ihn sicher schneller.”
“Natürlich helfe ich Ihnen!”, sagte Louisa sofort. Was für eine Frage! “Wo hast du Tafsa denn zum letzten Mal gesehen?”, fragte sie Ann-Sofie.
Der stand die Sorge um das Hündchen förmlich ins Gesicht geschrieben, doch für ein achtjähriges Mädchen hielt sie sich ungewöhnlich tapfer. Sie deutete den Weg hinunter. “Wir haben auf einer großen Wiese gespielt. Das Gras war so hoch, dass ich Tafsa kaum sehen konnte. Und dann …” Sie holte tief Luft. “Dann war er plötzlich nicht mehr da!”
“Keine Sorge, allzu weit kann er nicht gekommen sein, er ist ja noch sehr klein. Wahrscheinlich hat ihm etwas einen Schreck eingejagt, und er versteckt sich jetzt”, versuchte Louisa die Kleine zu trösten. “Wir werden ihn schon finden.”
“Ja”, bekräftigte Gunnar. “Das werden wir. Ich verspreche dir, dass wir so lange suchen, bis wir ihn gefunden haben.”
Aus großen Augen schaute Ann-Sofie ihren Vater an. “Wirklich?”
“Versprochen.”
Sie machten sich auf den Weg. Louisa ging voraus, Gunnar, der seine Tochter an der Hand hielt, folgte kurz dahinter. Sie riefen laut nach dem Welpen, doch Louisa machte sich keine großen Hoffnungen, dass das etwas bringen konnte. Tafsa war noch zu jung, um sich bereits an seinen Namen gewöhnt zu haben und auf
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