Happy Family
da fiel mir auf: Jetzt, wo ich wusste, wie feige ich war, würde ich mich wohl kaum mehr mit Helden wie Harry Potter identifizieren, eher mit Feiglingen, die zu anderen auch noch fies waren, wie Mundungus Fletcher. Würde mir, so fragte ich mich beklommen, das Lesen von Büchern jemals wieder Freude bereiten können?
«So ist’s gut», hörte ich plötzlich Fee sagen.
Ich bog um eine Ecke und sah, wie sie auf einem gefällten Holzstamm saß und sich von einem jungen Holzfäller den Nacken massieren ließ.
« FEE !», rief ich empört. «Du … du … kannst den armen Mann doch nicht einfach hypnotisieren …»
«Hmm …», antwortete sie süffisant, «doch, ich kann es, ich hab es ja schon getan.»
«Aber du darfst dir doch nicht in so einer Situation eine Nackenmassage geben lassen …» Ich konnte es nicht fassen.
«Da hast du recht», antwortete Fee und grinste, «ich denke, eine Fußmassage ist angesagt.» Sie wandte sich an den Holzfäller und bat ihn um eine entsprechende Behandlung. Er kniete sich zu ihr nieder und begann, ihre Füße zu kneten.
«Das ist unmoralisch!», schimpfte ich.
«Sag mal, gibt es nicht ein Stöckchen, das du holen musst?», kam es enerviert zurück.
Es war nicht zu fassen. Fee wollte nicht aufhören. Ich war zwar feige und gemein. Aber sie missbrauchte ihre neu gewonnenen Superkräfte! Was geschah nur mit uns Wünschmanns? Wurden wir etwa alle zu Monstern? Jetzt, wo wir Monster waren?
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FEE
«Du … du lässt dich von der dunklen Seite verführen …», stammelte mein bescheuerter Bruder und krallte dabei seine Pfoten tief in den Waldboden.
«Und du dich vom Melodrama», erwiderte ich.
Sich die Füße massieren zu lassen war ja wohl noch weit weg davon, einen Todesstern zu bauen und irgendeinen Planeten mit sieben Milliarden grünen Männchen zu pulverisieren.
Max krallte die Pfoten noch tiefer in den Boden und blickte mich verächtlich an. Und wenn einen so ein blöder Werwolf angewidert anschaut, kann man einfach nichts mehr genießen. Daher seufzte ich und bat den Holzfäller: «Bitte sammele mir doch einen schönen Strauß Wildblumen.»
«Sehr, sehr gerne», rief er und verschwand in den Wald.
Die kleine Prinzessin in mir hatte sich schon immer gewünscht, mal einen Wildblumenstrauß geschenkt zu bekommen. Aber bei den Jungs, mit denen ich bisher zu tun hatte, war dies leider komplett unrealistisch gewesen. Nicht im Traum wären sie darauf gekommen, mir welche zu kaufen oder – noch besser – selbst zu pflücken. Daher hatte ich auch immer zu der kleinen Prinzessin in mir gesagt: «Das musst du dir abschminken.» Doch dank meiner neuen Hypnosekräfte taten sich ganz neue Möglichkeiten auf, für die Prinzessin und für mich.
Ich stand vom Baumstamm auf und versuchte, Max mein Verhalten zu erklären: «Diese ganze Situation ist total beschissen, da kann ich doch wenigstens versuchen, das Beste daraus zu machen.»
«Das ist nicht das Beste!»
«Hör auf, einen auf moralisch zu machen. Es ist zur Abwechslung auch mal ganz schön, wenn jemand mal nett zu mir ist.»
«Auch wenn er es gar nicht ernst meint?», konterte Max.
Natürlich hatte Max recht, das Ganze hier hatte nichts mit ehrlicher Freundlichkeit zu tun, das wusste ich auch. Dennoch hielt ich dagegen: «Jedenfalls ist es besser als nichts.»
Dabei fragte ich mich allerdings schon, ob es wirklich besser als nichts war. Es war bestimmt nicht viel besser als nichts, so viel war klar. Nur ein bisschen besser. Anderseits: War ein bisschen besser als nichts nicht auch besser als nichts?
Ich sah, wie der Holzfäller weiter hinten im Wald Blumen für mich pflückte, und mit einem Male tat er mir leid. Er musste für etwas büßen, das Jannis verbrochen hatte.
Nein, es war nicht besser als nichts. Eigentlich war es sogar noch viel schlechter. Ich fühlte mich schuldig. Total schuldig.
«Mama ist weg», lenkte Max mich von diesem Gedanken ab, «und wir wissen nicht mal, wo sie ist.»
«Cheyenne meint, sie ist bei Dracula», erklärte ich.
«Dracula …?», fragte Max und verzog sein Wolfsgesicht zu einer erstaunten Grimasse. «Der Vampir?»
«Nein, Dracula, der Konditormeister», antwortete ich genervt.
«Der Konditormeister?» Max war noch verdutzter.
«Natürlich der Vampir», sagte ich noch gereizter.
«Weiß das Papa?»
Max schluckte das mit Dracula, ohne es zu hinterfragen. Für ihn war es, nach allem, was geschehen war, anscheinend total glaubhaft, dass Mama jetzt
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