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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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haben.
    «Doch der Blutsauger», fuhr Dracula mit der Prophezeiung fort, «wird eines Tages ein ebenbürtiges Weib finden, in deren Brust ebenso eine Seele wohnt.»
    Ich befürchtete, da kam ich ins Spiel.
    «Und er wird dieses Geschöpf lieben.»
    Dracula blickte mich entsprechend gefühlvoll an. Hatte er sich etwa wirklich in mich verliebt? In eine verheiratete, vor ihrer Verwandlung übergewichtige und frustrierte Frau? Zumindest war ich für ihn, nach tausend Jahren ohne Liebe, eine große Hoffnung. So eine Hoffnung konnte man in der Verzweiflung schon mal mit Liebe verwechseln. Das hatte ich so ähnlich bei meiner alten Freundin Taddi erlebt, die schon jahrelang Single war und sich vor lauter Verzweiflung immer in Kerle verguckte, bei denen ich dachte: «Whao, Mädchen, du ekelst dich ja auch echt vor nix!»
    Dracula nahm meine Hand. Seine Berührung löste, wie schon zuvor, ein angenehmes Kribbeln aus. Lauter kleine wohlige Blitze liefen mir über den Rücken. Und mein nicht vorhandenes Herz begann heftig zu klopfen. Es war das aufregendste Gefühl, das ich seit Jahren bei einer Berührung gespürt hatte.
    «… und dieses Geschöpf wird ihn lieben …», fuhr er leise und unwiderstehlich mit der Prophezeiung fort.
    Mein nicht vorhandenes Herz begann zu rasen.
    «… und die beiden würden in Liebe leben bis ans Ende aller Tage …»
    Das war ganz schön lang.
    Doch so, wie mich Dracula nun ansah, voller Hoffnung … Sehnsucht … mit einem Hauch von Verlangen … und Liebe … ja, es lag wirklich Liebe in seinem Blick … das war umwerfend … geradezu verzaubernd.
    Bis ans Ende aller Tage erschien mir in diesem Augenblick gar nicht so lange. Und mein Hirn begann, nach all den Jahren mal wieder die Koffer zu packen.

[zur Inhaltsübersicht]
MAX
    «Vielleicht können wir das kleine Mädchen vor dem Kampf noch ein paarmal im Kreis drehen …»
    Seitdem ich Gassi gegangen war (mein Gott, wie ich diesen Begriff hasste), lästerte Jacqueline auf einer kleinen Waldlichtung über mich, und ich schämte mich dabei für meine mangelnde Tapferkeit in Grund und Boden. Früher hatte ich mir immer ausgemalt, dass ich das Zeug zum Helden hätte, wenn ich nur auch den entsprechenden Körper dafür besäße. Jetzt hatte ich endlich einen starken Body und war immer noch ein jämmerlicher Deserteur. Umso mehr verletzten mich Jacquelines Sprüche.
    «Und wenn wir dann das schwindelige Mädchen noch auf einen Schwebebalken stellen …»
    «Das ist genug!», rief ich aus, ich konnte ihre Demütigungen nicht mehr ertragen. Besonders, weil sie so wahr waren.
    «Finde ich nicht», grinste Jacqueline. «Vielleicht solltest du lieber gegen einen Kuschelhasen kämpfen …»
    «Ich habe gesagt: Genug!»
    «Und ich meine einen Hasen, den man in der Stofftierabteilung kaufen kann …»
    «Dafür bin ich geistig nicht so degeneriert wie du!», brüllte ich. Ich wollte zurückschlagen, sie irgendwie verletzen. Und so versuchte ich, sie an ihrer Achillessehne zu treffen.
    «Was bin ich?», fragte sie.
    «Dumm», übersetzte ich.
    «Ich bin nicht dumm!», sagte sie nun ebenso wütend.
    «Ach nein, dann erklär doch mal zum Beispiel, was eine ‹Hypotenuse› ist», forderte ich sie heraus.
    «Das ist einfach …», erwiderte sie mit falscher Bravade.
    «Dann sag es doch», provozierte ich weiter.
    «Nun …», überlegte sie, «Hypotenuse … das ist so eine Art Transe.»
    «So eine Antwort hab ich erwartet», lachte ich überheblich und setzte noch einen drauf: «Wenn man dich eine dumme Nuss nennt, ist das ein Affront gegen die Schalenfrucht.»
    Das traf sie nun wirklich. Und das überraschte mich. So clever war der Spruch ja gar nicht gewesen. Mit zitternder Stimme erklärte Jacqueline: «So was in der Art haben meine Eltern mir auch gesagt an dem Tag, als ich eingeschult wurde.»
    Tief getroffen wandte sie sich ab, zündete sich beim Weggehen eine Zigarette an und ließ mich allein im Wald stehen. Obwohl sie jetzt endlich aufgehört hatte, mich zu ärgern, ging es mir noch schlechter als zuvor. Ich hatte sie als gute Freundin verloren, bevor ich sie überhaupt als Freundin gewonnen hatte.
    Oder gar als mehr.
    Ich Kretin trottete in eine andere Richtung und dachte über die ganze desaströse Situation nach, in der wir uns befanden: Wir waren Monster, Mama war verschwunden, und ich war nicht nur ein Feigling, sondern ein fieser Feigling. Ich sehnte mich so sehr nach einem guten Buch. Oder auch nur nach einem mediokren. Doch

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