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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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dürfen.
    Ich hielt mit meinem VW -Bus, den ich Charly nannte (nach Charles de Gaulle, der sich im Mai 68 bei mir in diesem Bus versteckt hatte), in einem Randbezirk von Wien. Gemeinsam mit Jacqueline, die von den Ereignissen noch ziemlich mitgenommen war, setzte ich mich hinten auf den Boden von Charly und steckte uns erst mal eine Wasserpfeife an. Diese hatte mir einst Yassir Arafat geschenkt, nachdem ich ihm den Tipp gegeben hatte, er solle sich bei seiner Glatze lieber immer ein schickes Palästinensertuch um den Kopf wickeln, wenn er irgendwo auftrat.
    «Ist da Stoff drin?», fragte Jacqueline und deutete auf die Wasserpfeife.
    «Nein, Kohlrabi.»
    Jacqueline schüttelte sich.
    «Natürlich ist da Marihuana drin», grinste ich.
    «Machst du dich als Erwachsene nicht strafbar, mir das zu geben?», fragte sie misstrauisch.
    «Seh ich so aus, als ob mich das interessiert?»
    «Nein, tust du nicht», musste Jacqueline nun auch grinsen.
    «Wir haben uns so ein Pfeifchen verdient», erklärte ich und zog an der Pfeife, dann reichte ich sie an Jacqueline weiter. Die nahm ebenfalls einen Zug und fragte anschließend besorgt: «Glaubst du, die Hexe hat die Wünschmanns gekillt?»
    «Nein, dann hätten wir Überreste von ihnen gesehen», antwortete ich fest überzeugt.
    Jacqueline zog noch mal an der Pfeife, dann erklärte sie leise: «Ich mag die Wünschmanns.»
    «Du hast einen merkwürdigen Geschmack.»
    «Besonders mag ich Max.»
    «Sag ich doch, merkwürdiger Geschmack.»
    «Glaubst du, dass ich den Kleinen noch mal wiedersehe?», fragte Jacqueline mit einer Mischung aus Hoffnung und Angst.
    Ich war da selbst unsicher, wir hatten ja keine Ahnung, wo die Hexe die Wünschmanns hingezaubert hatte. Vielleicht hatte sie die Familie in Ameisen verwandelt, und wir hatten sie deswegen nicht gesehen. Wer weiß? Doch wenn ich eines in meinem langen Leben gelernt hatte, dann war es, dass eine gute Lüge oft besser ist als eine schlechte Wahrheit. So antwortete ich: «Klar wirst du den wiedersehen!»
    Dabei sah ich das Mädchen mit einem möglichst entspannten Lächeln an, das durch die Wirkung der Wasserpfeife unterstützt wurde. Jacqueline lächelte darauf ebenfalls entspannter, auch bei ihr begann der Stoff zu wirken. Nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten, seufzte sie nach einem besonders tiefen Zug: «Ich wünschte, ich hätte so eine Oma wie dich.»
    «Oma?», antwortete ich, gespielt pikiert.
    «Tante», korrigierte sie sich.
    «Klingt schon viel besser.»
    Sie zog noch mal, legte sich dann tiefenentspannt in die Plüschkissen und grinste: «Mutter wäre auch okay.»
    Das tat mir tief in meinem Herzen weh. Egal, was ich Emma erzählt hatte, ich bereute zwei Sachen in meinem Leben: in der Nacht von Jim Morrisons Tod nicht bei ihm gewesen zu sein. Und dass wir beide keine Kinder bekommen hatten. Er hatte es so gewollt, aber ich hatte ihm geantwortet: «Wir haben doch unser ganzes Leben noch vor uns.»
    Und jetzt besuchte ich jedes Jahr den Friedhof Père Lachaise in Paris und malte, wie die Fans von The Doors, Graffiti auf seinen Grabstein. Stets schrieb ich die gleichen Worte: Ich werde dich für immer lieben.
    Mir stiegen Tränen in die Augen.
    Reue ist wirklich das Schrecklichste am Alter.
    Dagegen ist Blasenschwäche ein regelrechtes Fest.
    Ich sah zu Jacqueline, die sich in die Kissen einkuschelte: Sie hatte ihr ganzes Leben noch vor sich. Hoffentlich eins ohne Reue.
    «Heulst du etwa?», fragte sie.
    «Nein», log ich, «mir ist nur der Wasserdampf in die Augen gestiegen.»
    Ich rieb mir die Tränen weg und erklärte: «Es wäre mir eine Ehre, deine Mutter zu sein.»
    «Willst du mich verarschen?», fragte Jacqueline verunsichert.
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Du bist der erste Mensch, der meine Mutter sein möchte», erklärte sie leise und wirkte auf einmal ganz zerbrechlich.
    Es war das Traurigste, was ich je gehört hatte.
    Und ich hatte schon sehr viele traurige Sachen in meinem Leben gehört.
    Ich nahm ihre Hand, streichelte sie sanft und grinste: «Aber wehe, du nennst mich Mutti.»
    Da mussten wir beide anfangen, bekifft loszugackern.

[zur Inhaltsübersicht]
EMMA
    Fee.
    Sie war weg.
    Gewirbelt ins Nichts. Vermutlich tot.
    Nein, so etwas durfte ich nicht denken!
    Wer so etwas denkt, gibt auf! Und ich darf nicht aufgeben! Auf gar keinen Fall!
    Es war ja auch gar nicht wahrscheinlich, dass Fee tot war. Imhotep hatte versprochen, dass seine Rache fürchterlich sein würde. Und ein schneller Tod ist ja keine

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