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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Um einen Menschen aufzuschlitzen, war es groß genug. Der Mensch ist kein Bär, sein Körper ist weich wie ein Pfirsich. Eine stabile Sieben-Zentimeter-Klinge reicht für die meisten Zwecke völlig aus.
    Nachdem das Messer desinfiziert war, wartete der Knirps ruhig ab, bis die Klinge abkühlte. Dann griff er mit der linken Hand an das Gummiband meiner weißen Unterhose und zog sie so weit herunter, dass mein Penis halb bloßlag.
    »Jetzt tut es ein bisschen weh. Beiß die Zähne zusammen«, sagte er.
    Ich spürte, wie mir eine tennisballgroße Luftblase vom Magen in die Kehle stieg. Auf meiner Nasenspitze sammelten sich Schweißtröpfchen. Ich hatte Angst. Angst, dass man mir am Schwanz herumschnippeln würde. Und dass ich ihn dann nie wieder hochbekommen würde.
    Doch der Mann ließ meinen Schwanz in Ruhe. Er schnitt mir ungefähr fünf Zentimeter unter dem Nabel etwa sechs Zentimeter breit den Unterbauch auf. Die scharfe, noch warme Spitze des Messers tauchte problemlos in meinen Bauch und wanderte in einer geraden Linie, wie von der Schnur gezogen, nach rechts. Ich wollte ausweichen, doch der Riese hatte mich fest im Griff, ich konnte mich nicht rühren. Zudem umklammerte der Knirps mit der linken Hand meinen Schwanz. Aus allen Poren brach mir der kalte Schweiß. Einen Wimpernschlag später durchzuckte mich scharfer Schmerz. Der Knirps wischte mit einem Papiertuch das Blut vom Messer; als er die Klinge einschnappen ließ, gab der Riese mich frei. Ich sah, wie meine weiße Unterhose sich rot verfärbte. Der Riese brachte mir aus dem Bad ein frisches Handtuch, das ich auf die Wunde drückte.
    »Sieben Stiche, und es ist wieder okay«, sagte der Knirps. »Eine kleine Narbe wird bleiben, aber nun ja, da unten fällt sie kaum auf. Es tut mir wirklich leid, aber so ist nun mal der Lauf der Welt. Beiß die Zähne zusammen.«
    Ich nahm das Handtuch vom Bauch und sah mir die Wunde an. Der Schnitt war nicht sehr tief, aber immerhin tief genug, um unter dem Blut hellrosafarbenes Fleisch schimmern zu sehen.
    »Wenn wir weg sind und die vom System auftauchen, zeig ihnen die Wunde. Sag, wir hätten gedroht, tiefer zu schneiden, wenn du nicht verrätst, wo der Schädel sich befindet. Du hättest es aber wirklich nicht gewusst und es uns also nicht sagen können. Daraufhin wären wir abgezogen. Das ist Folter. Wenn’s ernst wird, machen wir aber ganz andere Sachen – damit wir uns recht verstehen. Doch für heute mag das reichen. Vielleicht ergibt sich noch mal die Gelegenheit. Dann zeigen wir dir, was wir sonst noch draufhaben.«
    Ich nickte nur, das Handtuch auf den Bauch gepresst. Ich wusste nicht genau weshalb, aber es schien mir das Beste, mich so zu verhalten, wie sie gesagt hatten.
    »Den armen Gasmann übrigens, den habt ihr doch bestochen, oder?«, fragte ich. »Und habt ihm eingeschärft, sich erwischen zu lassen, damit ich den Schädel und die geshuffelten Daten in Sicherheit bringe, nicht wahr?«
    »Ein kluges Kerlchen«, sagte der Knirps und sah den Riesen an. »Das nenne ich Grips! So kann man überleben – mit ein bisschen Glück.«
    Damit verschwanden die beiden. Die Tür aufzumachen und zu schließen war nicht notwendig. Meine aus den Scharnieren gesprungene, verbogene Stahltür stand nun der ganzen Welt offen.
    Ich zog die blutverschmierte Unterhose aus, warf sie in den Müll und säuberte mit in Wasser getränktem Mull den Einschnitt von Blut. Bei jedem leichten Beugen und Strecken pulsierte der Schmerz in der Wunde. Das Sweatshirt schmiss ich auch weg, am Ärmel klebte Blut. Dann suchte ich aus den auf dem Boden verstreuten Sachen ein T-Shirt heraus, auf dem auch Blutflecken nicht besonders ins Auge fallen würden, und zog außerdem eine möglichst knapp sitzende Unterhose an. Das war schon harte Arbeit.
    Dann ging ich in die Küche, trank zwei Glas Wasser, überlegte dieses und jenes und wartete dabei auf die Leute vom System.
    Es dauerte eine halbe Stunde, dann tauchten drei von der Zentrale auf. Bei einem davon handelte es sich um den jungen Fatzke von der Verbindungsstelle, der immer kam, um die Daten abzuholen. Er trug den dunklen Anzug, den er immer trug, ein weißes Hemd und eine Krawatte, wie sie sich Bankangestellte in der Kreditabteilung umbinden. Die beiden anderen trugen Turnschuhe und waren ansonsten gekleidet wie Arbeiter einer Speditionsfirma. Das heißt nicht, dass die drei wie ein Bankangestellter und zwei Arbeiter aussahen. Sie gaben sich nur den entsprechenden unauffälligen Anschein. Sie

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