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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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über mir brauste der Wind. Der Weg wollte und wollte nicht enden.

    Die Bibliothekarin setzt mich vor den Ofen und legt mir die Hand auf die Stirn. Ihre Hand ist grässlich kalt, mein Kopf schmerzt, als hätte man einen Eiszapfen hineingejagt. Ich will ihn instinktiv herausziehen, den Schmerz wegwischen, doch ich kann den Arm nicht heben; als ich es mit aller Kraft versuche, muss ich mich fast übergeben.
    »Du hast furchtbar hohes Fieber«, sagt sie. »Wo warst du bloß, was hast du so lange gemacht?«
    Ich will antworten, doch alle Worte sind aus meinem Kopf verschwunden. Selbst ihre kann ich kaum verstehen.
    Sie sucht irgendwo ein paar Decken zusammen, wickelt mich darin ein und legt mich vor dem Ofen schlafen. Ihr Haar berührt meine Wange. Ich will sie nicht verlieren, denke ich, aber ich weiß nicht, ob dieser Gedanke meinem eigenen Bewusstsein entspringt oder ob er mir aus einem alten Erinnerungssplitter plötzlich in den Sinn kommt. Ich habe so viel verloren, und ich bin viel zu müde.Vollkommen machtlos fühle ich, wie mir langsam, aber sicher das Bewusstsein entgleitet. Es drängt zwar zu mir herauf, doch mein Körper hält mit aller Kraft dagegen. Ich fühle mich merkwürdig gespalten. Welchem von beiden soll ich mich überlassen, dem Bewusstsein oder dem Körper? – Ich weiß es nicht.
    Sie hält die ganze Zeit meine Hand.
    »Schlaf jetzt«, höre ich sie sagen. Worte aus dem hintersten Winkel der Finsternis, die lange, lange brauchen, bis sie zu mir dringen.

15  HARD-BOILED WONDERLAND
WHISKEY, FOLTER, TURGENJEW
    Der Riese zertrümmerte in der Spüle meinen gesamten Whiskeyvorrat – nicht eine, nicht eine einzige Flasche ließ er unversehrt. Ich hatte mich mit dem Inhaber der Spirituosenhandlung an der Ecke angefreundet und bekam, wenn er Importwhiskey im Sonderangebot hatte, stets eine kleine Lieferung ins Haus, sodass ich über eine recht stattliche Sammlung verfügte.
    Zuerst zerschlug der Riese zwei Flaschen Wild Turkey, ging dann, bevor er drei I. W. Harper erledigte, zu Cutty Sark über, zerbrach zwei Jack Daniels, gab Four Roses das letzte Geleit, zersplitterte eine Haig und exekutierte zu guter Letzt auf einen Schlag ein halbes Dutzend Chivas Regal. Es krachte grausig, noch schlimmer war jedoch der Geruch, kein normaler Whiskeygeruch: In der ganzen Wohnung stank es zum Gotterbarmen. Immerhin hatte der Kerl einen Halbjahresvorrat zertrümmert.
    »Da kriegt man schon beim Einatmen einen Schwips, nicht wahr?«, bemerkte der Knirps wie anerkennend. Ich stützte den Kopf in die Hände und sah resigniert zu, wie sich die Scherben in der Spüle türmten. Was steigt, muss fallen, was fest ist, zerfließen, Asche zu Asche und Staub zu Staub. In das Splittern des Glases mischte sich durchdringendes Pfeifen; es ging von dem Riesen aus und hörte sich an, als würde mit Zahnseide ein Riss in der Luft bearbeitet. Die Melodie kannte ich nicht – das heißt, es war eigentlich keine. Die Seide scheuerte mal oben, mal in der Mitte, mal unten, sonst nichts. Es ging mir durch Mark und Bein und zerrte an sämtlichen Nerven. Ich schüttelte mir die Ohren frei und stürzte das Bier hinunter. Mein Magen war hart wie der Lederkoffer eines Bankangestellten im Außendienst.
    Der Mann setzte seine sinnlose Zerstörung fort. Für die beiden mochte sie ihren Sinn haben, für mich jedenfalls nicht. Der Riese schmiss das Bett um, zerschlitzte die Matratze, riss sämtliche Kleidungsstücke aus den Schränken, verteilte den Inhalt der Schreibtischschubladen auf dem Fußboden, rupfte das Kontrollpaneel der Klimaanlage aus der Wand, stülpte den Papierkorb um und zerschlug im Einbauschrank, was er gerade darin fand. Er arbeitete schnell und geschickt.
    Nachdem er das Schlafzimmer in ein Schlachtfeld verwandelt hatte, wandte er sich der Küche zu. Der Knirps und ich zogen ins Wohnzimmer um, richteten das umgestürzte Sofa auf, dessen Rückseite völlig zerfetzt war, setzten uns und sahen zu, wie der Riese die Küche demolierte. Dass die Sitzfläche und die Rückenlehne des Sofas beinahe keinen Schaden genommen hatten, war Glück im Unglück. Das Sofa war ein erstklassiges Stück, es saß sich äußerst bequem darauf; ein befreundeter Fotograf hatte es mir preiswert überlassen. Er war hochtalentiert gewesen, spezialisiert auf Werbefotografie, drehte aber eines Tages durch, zog sich in die Berge von Nagano zurück und trat mir deshalb das Sofa, das in seinem Büro gestanden hatte, billig ab. Dass er mit den Nerven völlig

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