Hard Man
zurückkam, lag Hilda in seinem Körbchen. Ja, der Hund hieß Hilda. Ihm gefiel der Gedanke, ihn nach jemandem zu nennen, nach einem richtigen Menschen, und wen gab es da Besseres als seine Mutter? Okay, es war ein Rüde. Aber Pearce glaubte nicht, dass es Hilda etwas ausmachte. Und ihm auch nicht.
Er sagte dem Hund, dass jetzt alles in Ordnung war und die bösen Männer weg waren. Hilda wedelte mit dem Schwanz, hoppelte zur Tür und starrte sie an.
Pearce schüttelte den Kopf. In Hildas Welt bedeutete alles, was er nicht verstand, Gassigehen. Das war okay. Pearce nahm Hildas Leine vom Schrank im Flur und machte sie fest. Nach dem Gestank in Baxters Auto konnte er ein bisschen frische Luft gebrauchen. Wenn man schon am Meer wohnte, musste man das auch so oft wie möglich ausnutzen.
Hilda zog den ganzen Weg die Straße runter bis zur Strandpromenade. Als sie dort ankamen, machte Pearce die Leine los, und Hilda hüpfte los zu einem Fleck mit hohem Gras, auf dem die ansässigen Hunde sich gern erleichterten. Er machte sich auf die Pirsch nach der richtigen Stelle, bevor er das Hinterbein hob. Pearce staunte immer wieder, wie der kleine Scheißer auf zwei Beinen pissen konnte, ohne umzukippen.
Schon bei ihrem allerersten Strandspaziergang hatte Hilda sich als Schnüffler entpuppt. Kein großes Interesse am Stöckchenwerfen. In Ordnung. Das arme Vieh hatte schließlich nur drei Beine. Pearce hätte an seiner Stelle auch lieber geschnüffelt, als Stöckchen nachzurennen.
Pearce ging in östlicher Richtung die Promenade entlang auf Joppa zu. Hilda würde ihm in seinem eigenen Tempo folgen.
Okay. Die Baxters. Gut, es war ihnen ernst. Es bestand kein Zweifel, dass sie Angst vor Wallace hatten und ihn wirklich für fähig hielten, seine Frau so übel zuzurichten, dass sie und vor allem ihr ungeborenes Baby in ernster Gefahr waren.
Aber waren sie bloß verrückte Spinner, oder hatten sie reale Gründe, sich Sorgen zu machen?
Klar, man musste schon extrem gestört sein, um der eigenen Familie etwas anzutun. So was brachte nur ein absolutes Arschloch fertig. Allerdings war es gar nicht die Familie von Wallace. Der Kleine war nicht von ihm, doch May war seine Frau … Ach, Scheiße. Er hätte nicht anfangen sollen, darüber nachzudenken, was jemand seiner Familie antun konnte…
Pearce lehnte sich an die Hauswand eines Spielsalons. Er atmete rasch und flach und spürte kalten Schweiß im Nacken. Erinnerungen rannen in Tropfen aus seinem Kopf und brannten ihm Säurefurchen in Kehle und Lunge. Seine Mutter in den Armen zu halten, während aus einer Stichwunde in ihrem Hals das Blut spritzte - tja, darüber kam man nicht so leicht weg. Vielleicht würde er nie drüber wegkommen. Damit musste er rechnen.
Aber es war sinnlos, darüber nachzugrübeln. Was passiert war, konnte er nicht ändern. Er stieß sich von der Wand ab und ging weiter.
Nur einen Moment mal angenommen, May sei in Gefahr.
Na, man musste sich ihn doch nur mal anschauen. Er war in keinem Zustand, in dem er irgendjemanden beschützen konnte.
Wenigstens atmete er wieder normal.
Er schaute sich um, um sich zu vergewissern, dass Hilda noch da war. Der jagte gerade halbherzig hinter einem anderen Hund her. Wusste, dass er mit drei Beinen nicht die geringste Chance hatte, aber es machte Spaß, es zu versuchen.
Die Schuldgefühle waren mörderisch. Pearce hatte es nicht nur nicht geschafft, seine Mutter zu beschützen, er hatte auch noch ihre Wohnung verkauft. Das machte ihn so richtig fertig, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. In der Wohnung erinnerte ihn zu viel an sie. Klar, sie hatte ihr gehört. Er hatte nicht einfach neue Möbel kaufen, neue Bilder aufhängen, die Tapeten abreißen können. Jede Änderung wäre respektlos gewesen. Da war nichts zu machen. Es würde nie seine Wohnung sein.
Also hatte er sie verkauft. Und vielleicht würde seine Mum ihn deshalb ewig heimsuchen, aber er glaubte, dass sie ihn verstanden hätte. Sie würde ihn nicht heimsuchen. Um Himmels willen, was dachte er da überhaupt? Das war fast genauso verrückt wie die Geschichte der Baxters. Sogar noch schlimmer. Wallace war wenigstens am Leben. Aber Pearce sah seine Mum ständig. Immer nur ganz kurz. Und manchmal hörte er sie sprechen. Sie fragte ihn, wie es ihm gehe, und er sagte dann, es gehe ihm gut. Sie redeten über das Wetter. Ganz banal. Eine Weile hatte er sich Gedanken um seine geistige Gesundheit gemacht. Und dann hatte er gedacht, scheiß drauf. Er war so
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