Hard Rock Vampir

Invisiblos waren. Ich kannte sie, denn ich hatte drei von ihnen getötet.
    »Du liest wirklich alle Gedanken?«
    »Alle, die ich lesen kann.«
    »Dann liest du nicht genug, Joe.«
    »Wieso?«
    Ich grinste und in meinem Kiefer knirschte es. »Das wirst du gleich wissen«, sagte ich mit rauer Stimme.
    Es war zu schön. Heute musste ich nicht auf die Jagd gehen. Mein Abendessen war zu mir gekommen. Ich würde auf das Sofa von Beliani aufpassen, um es nicht zu verschmutzen.
    Und wenn Eva kam, war ich gestärkt, voller Kraft, Lust und Energie. Hoffentlich würde ich nicht unsichtbar, obwohl – vielleicht törnte es sie ja an?
    Mit einem wunderbaren hallenden Ton, der Joes Schreien übertönte, endete der Song.
    Wie gesagt, ein Superhit.

VAMPIRE BETEN NICHT

1

    Los Angeles ist eine große Stadt und ich liebe sie. Sie ist perfekt geeignet für einen Vampir, denn sie ist voller einsamer Seelen. Die Straßen sind bevölkert mit Männern und Frauen, die man aus psychiatrischen Anstalten geworfen hat, wie Schmutz auf die Straße. Sie torkeln durch die Straßen, wühlen in Mülleimern und sabbern vor sich hin. Auf Parkbänken hocken sie, die Verlassenen, die Verzweifelten, Starlets, Models und Künstler, die brotlos und manchmal auch ohne Dach über dem Kopf in der Sonne verhungern. Sie starren auf die Palmen und fragen sich, warum diese, verdammt noch mal, keine Äste haben, und wo sie den Strick befestigen sollen, sie hadern mit ihrem Schicksal und wollen es hinter sich haben. Keine Dates mehr, die nicht eingehalten werden, keine Castings oder Vorsprechen mehr, nie wieder der Satz: »Don’t call us, we call you!« - »Rufe nicht an, wir telefonieren mit dir!«
    Sie waren nicht Schwarzenegger, Prochnow, Reno oder Müller-Stahl, die es geschafft hatten und ein Academy Award, wie good-ol’-Christoph Waltz ihn bekommen hatte, war so weit entfernt wie der Mond.
    Sie kamen aus Europa und hatten den goldenen Traum geträumt, oder aus einer amerikanischen Kleinstadt, wo man ähnlich dämlich war. Sie warteten auf das Ende, gingen in die Psychiatrie und wurden mangels Krankenversicherung wieder auf die Straße geworfen – ein unendlicher Kreislauf der Verzweiflung.
    Morgens schoben sich die schwarzen Boliden der Polizei in die Parks und verscheuchte das Gewürm, damit die Touristen sich ihrer nicht schämen mussten. Alte runzelige Kriegsversehrte bettelten und wurden angespuckt, denn Vietnam war ein Desaster gewesen. Scheiß auf deine abgeschossenen Eier, Mann. Du hast den Krieg verloren, du Schlappschwanz! Und als Belohnung willst du auch noch ficken?
    Los Angeles war für mich das Schlaraffenland. Ich tötete den, der sich selbst töten wollte. Ich trank jenen, der zuviel getrunken hatte. Und selten winselte jemand oder bettelte um ein paar Tage noch oder gar Jahre. Nicht wenige lächelten und träumten sich hinweg. Frauen erlebten den intensivsten Orgasmus ihres Lebens und starben mit dem Gedanken, L.A. habe sich doch noch gelohnt.
    Ich schenkte ihnen Hoffnung, denn ich erlöste sie.
    »He, Darian«, sagte eine Stimme hinter mir und ich schrak aus meinen Gedanken auf. Wie so oft verschönerte ich das Dunkle, das Schwarze und Böse mit hellen Farben, denn auch ein Vampir hat ein Gewissen. Na ja, zumindest ich habe eines. Ich erwachte aus meinem Tagtraum und blickte mich um.
    »Was’n los?«
    Es handelte sich um Rick Lavoni, meinem Manager, der mich unter seine Fittiche genommen hatte, nachdem Eve, My Sweethard, Devil’s Daughter auf Platz 10 der Billboard-Charts eingestiegen war und durch meinen Song Step To Heaven von Platz 1 verdrängt wurde. Yepp, ich war verdammt erfolgreich. Nummer 1 und 2. Das Geld konnte ich mit der Schubkarre wegfahren und mein Loft am Wilshire Blvd war inzwischen komplett eingerichtet.
    Meinen 77er Mercury Cougar 02 hatte ich gegen einen Ford Focus EcoBoost eingetauscht, ein rotes Sportgeschoss mit 180 PS. Nichts Besonderes, aber er parkte von selbst ein. Nachdem David Copperfield meinen Mercury gefahren hatte, funktionierte nichts mehr, wie es sollte. Blinkte ich, hupte es, bremste ich, schaltete er in den nächsten Gang, und wenn ich das Radio anmachte, bewegten sich die Scheibenwischer. Zu viel Magie. Ich war ihm nicht böse, denn er hatte mein Leben gerettet.
    »Superstar«, sagte Rick. »Wir haben eine Anfrage.«
    »Schon wieder?«
    Star sein war ermüdend. Andauernd wollte jemand was von einem. Hier eine Autogrammstunde, dort eine Kaufhauseröffnung. Das waren die kleinen Dinge. Seine